Sei die Veränderung, die du dir im Strassenverkehr wünschst
Die Verkehrswende durch eigene Verhaltensänderung prägen
Das Verhalten im Verkehr hat grossen Einfluss auf die Verkehrssituation. Dynamisches und rücksichtsvolles Fahren aller Verkehrsteilnehmenden verflüssigt den Verkehr und reduziert die Emissionen. Gleiches gilt bei der Wahl des Verkehrsmittels im Hinblick auf die Verkehrswende. Jeder kann mit seinen Handlungen den Verkehr beeinflussen (Stichwort «Wir sind der Stau»). Nimmt man also anstatt den öV das Velo, hat es im Bus mehr Platz. Fährt man mit dem Kollegen in einem Auto zur Arbeit, gibt es ein Fahrzeug weniger auf dem Pendlerweg und im Parking vor der Firma. Dieses Bewusstsein muss in der Bevölkerung weiter gefördert werden, um nicht zuletzt die Klimaziele zu erreichen. Dabei hilft, zum einen das eigene Verhalten eigenmotiviert anzupassen, zum anderen Informationskampagnen zu diesem Thema stetig durchzuführen und das Thema auf der Traktandenliste zu halten. Ein Musterbeispiel lieferte Thüringen mit dem Werbespruch «Sei die Veränderung, die du dir im Strassenverkehr wünscht». Allenfalls kann „Nudging“ noch mehr ausgebaut werden, wo durch bewusste Beeinflussung menschlichen Verhaltens eingewirkt wird, ohne dabei auf ökonomische Anreize oder Zwänge zurückgreifen zu müssen (Thaler & Sunstein, 2009). Meist bringen nur Pull-Massnahmen nicht die erhoffte Wirkung, so dass Push-Themen unterstützend in die gleiche Richtung zielen müssen. Die Folge sind unbeliebte Regulierungen als letztes Mittel, um bei den Betroffenen die Veränderung zu erzwingen. Wobei: Die Veränderungen wünschen wir uns doch grundsätzlich alle, so dass wir nun selber ins Doing kommen könnten.
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Kunden und Kundinnen zu Fans machen
Kundenbeziehung aufbauen und pflegen
Eine Kundenbeziehung findet auf immer mehr Kanälen statt. Herausfordernd bei digitalen Dienstleistungen oder Ticket-Apps ist es, dass die Kundschaft immer weniger mit dem sicherlich gut geschulten Personal in Kontakt ist. Guten digitalen Produkten gehört die Zukunft. Dabei bleibt es essenziell, Kunden zu Fans zu machen, damit die eigene Dienstleistungen Erfolg verspricht – vor allem in gesättigten Märkten, wie wir sie kennen. Eine enge Kundenbindung mit glücklichen Kunden erleichtert den Betrieb und gibt eine stabile Kundenbasis. Es kann sogar so weit gehen, dass Fans eigentliche Markenbotschafter in deren Freundeskreises sind. Dabei erfährt man auch weniger Abwanderung zur Konkurrenz. Überdies werden Anpassungen besser angenommen, welche im agilen Umfeld immer mehr zur Normalität werden. Dafür braucht es den Einsatz aller Mitarbeitenden, um einen stabilen und nach aussen freundlichen Betrieb zu garantieren. Den Mitarbeitende stehen nicht nur im direkten Austausch mit den Nutzenden, sondern erbringen die eigentliche Dienstleistung und entwickeln die digitalen Kanäle. Mustergültig geht die BVG in Berlin voran, welche mit #weilwirdichlieben eine eigentliche Liebensbeziehung eingeht, was für eine Mobilitätsdienstleistung eher aussergewöhnlich ist.
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Intelligenz vor Beton
Intelligenter Betrieb statt nur Verbesserung durch Infrastrukturbauten
Auf die Steigerungen der Verkehrsnachfrage folgt in der Schweiz bis heute fast immer ein Ausbau oder bauliche Optimierung der Verkehrsinfrastruktur. Dazu gibt es gut dotierte Infrastrukturfonds wie der Bahninfrastrukturfonds (BIF) und den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) mit jährlichen Mitteln von je über einer Milliarde Franken. Statt dem Ausbau der Infrastrukturen könnte die Herausforderung alterativ durch Änderung der Anreize, Verlagerung des Verkehrs weg von den Überlastzeiten, durch Aufzeigen und Attraktivierung von Alternativen usw. erreicht werden. Leider stehen hier viel weniger Finanzmittel bereit, so dass sich auch der Markt um solche Lösungen kaum entwickelt (Planung, Umsetzung, Produkte usw.). Vielleicht sollten die Mittel aus den Infrastrukturfonds künftig kreativer eingesetzt werden, damit wir nicht zuletzt rascher zu Verbesserungen kommen. Schliesslich ist bauen langatmig, teuer und ressourcenintensiv.
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Strategie Mobilität weist den Weg
Mobilitätsstrategie frühzeitig bei Projekten einführen und in jeder Projektphase vertiefen.
Bei Arealentwicklungen wird die Mobilität meist nicht in gleicher Qualität geplant wie beispielsweise die Architektur oder die Statik. Oft werden lediglich die gesetzlich verpflichteten Rahmenbedingungen eingehalten oder bei Problemen im Rahmen der Baubewilligung noch Machbares ins Projekt aufgenommen. Mit einer Strategie Mobilität können Areale jedoch an Attraktivität gewinnen, das Thema gar in der Vermarktung gewinnbringend genutzt werden. Erste Überlegungen beginnen bereits zu Beginn im Wettbewerb mit klaren Fragestellungen und durchdachten Randbedingungen. Die Strategie Mobilität hilft bei der Planung der Wohnsiedlung, damit sich Bauherr, Entwickler, Projektierende und die Gemeinde auf ein gemeinsames Verständnis einigen. Zudem stellt die Strategie sicher, dass die Mobilität zeitgemäss und für die nächsten Jahrzehnte funktioniert und so beispielsweise mit einem Mobilitätskonzept bewilligt werden kann. Die Strategie kann dabei auf örtliche Gegebenheiten eingehen, alle Verkehrsmittel berücksichtigen, das Auto-Verkehrsaufkommen bei bereits hoch belasteten Strassen reduzieren sowie die Lebensqualität beispielsweise durch Sharing steigern (so muss nicht mehr alles angeschafft werden). Mit der Genehmigung des Mobilitätskonzepts ist der Prozess aber nicht abgeschlossen. Die vorgesehen Mobilität muss vorbereitend geplant werden, beispielsweise durch Offertstellungen von Mobilitätsanbietern. Sind diese gefunden und die Angebote auf dem Areal implementiert, klärt ein periodisches Monitoring & Controlling, ob die Mobilitätsziele erreicht werden. Wird wider Erwarten eine Abweichung festgestellt, gilt es die Angebote zu justieren.
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Wer wird der Swiss Pass?
Einen Schlüssel als Zugang zur Mobilität aufbauen und stärken
Es gibt viele Kundenkontos, welche viele Schweizer:innen haben. Da gibt es Cumulus, Supercard, SwissPass, TCS Member, Ikea Family, usw. Welches dieser Systeme wäre prädestiniert, um den Schlüssel zur Mobilität zu sein? Setzt man beim Verkehrssystem auf das starke Rückgrat des öV, dürfte sich der SwissPass anbieten. Über 5 Mio. Schweizer:innen gehören dem System bereits an. Der SwissPass ist im Kern ein persönliches Trägermedium für Fahrausweise. Physisch gibt es eine Karte, digital eine App. Das Konto kann aber auch in Applikationen direkt integriert sein, z.B. in der SBB-Mobile-App. Der SwissPass ist ein Branchenprodukt der öV-Unternehmen, wobei auch Ski- oder sonstige Tickets darauf gespeichert werden können. Der SwissPass kann aber auch Zutritt in Hotels, zu Ladesäulen oder zum Carsharing bieten. Leider ist das Produkt aber eher ein «öV-Pass» geblieben als ein System für alle Verkehrsmittel. Zunehmend wäre die öV-Branche bereit, sich zu öffnen. Um volle Kraft zu entwickeln, braucht sie dazu aber die politische Legitimation. Sinnvoll wäre, wenn ein Zahlungssystem mit integriert wäre oder wenn das System mehr bietet, als es einen Integrator kostet. Der Staat könnte hier im Sinn eines Service public ein System bereitstellen, wo jeder mitmachen will. Dafür braucht es sehr tiefe oder keine Gebühren und den Willen, auch kleine Unternehmen anzuschliessen (einfach alle, die mitmachen wollen). Mobility as a service wäre so sehr schnell in der breiten Bevölkerung verankert, wenn der SwissPass dann später an nationalen Dateninfrastrukturen angeschlossen wäre.
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Der öV, der nichts kostet, ist nichts Wert
Kostenloser öV bringt nicht den erhofften Mehrwert
Immer mal wieder gibt es in der Politik einen Vorstoss, den öffentlichen Verkehr kostenlos anzubieten. Es gibt auch Städte, wie die estnischen Hauptstadt Tallinn, wo diese Idee Realität geworden ist. Gemäss Medienberichten hat dort die Zahl der Benutzenden immerhin um 14% zugenommen. Bei der Beurteilung des Gratis-öV werden immer die Kosten und Nutzen abgewogen. Bis jetzt konnte sich dieser Vorschlag jedoch nicht durchsetzen. Idee des kostenlosen öV ist es, die Hemmschwelle zur öV-Nutzung durch die kostenlose Fahrt sehr stark zu senken. Durch das kostenlose Angebot nimmt aber die Nachfrage meist derart zu, dass diese nicht mehr verarbeitet werden kann und/oder die Qualität leidet. In der Folge steigen die Kosten beim öV-Angebot. Gleichzeitig verliert man die Möglichkeit zur Steuerung des Verkehrs, beispielsweise über Spartickets. Zudem wird die Mobilität zunehmend als Flat-Angebot wahrgenommen, was der teuren Mobilitätsbereitstellung nicht gerecht wird. Zu einer nachhaltigen Verkehrspolitik gehört es nicht, die Verkehrsmenge durch Anreize wie kostenlose Fahrten zu erhöhen. Sinnvoller sind einfach zugängliche pay-per-use-Angebote. Übrigens: In der Stadt Bern wurde die Initiative «Gratis öV» durch den Stadtrat für ungültig erklärt: Eine freie Fahrt auf allen Linien des Bahnunternehmens Bernmobil sei nicht vereinbar mit der Bundesverfassung, so der Gemeinderat. Denn dort stehe, dass Nutzerinnen und Nutzer die Kosten des öffentlichen Verkehrs angemessen übernehmen müssten, weshalb die Initiative ungültig sei und nicht vors Volk komme.
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Mit Gamification das Velofahren fördern
Spielend alternative Verkehrsmittel wie das Velofahren pushen
Bezüglich der Veloförderung wird viel in die Infrastruktur investiert, um ein sicheres und schnelles Radwegnetz zur Verfügung zu stellen. Doch für die Aktivierung der potenziellen Velofahrenden kann auch auf digitale Produkte gesetzt werden. Inzwischen sind verschiedene Apps verfügbar, die das Velofahren tracken und zu Challenges animieren. Unternehmen können ihre Mitarbeitenden mit Bike to Work oder der App Ummadum fürs Velofahren gewinnen. Privatpersonen können ihren Fortschritt mit Cyclomania oder mit der Swiss Climate Challenge verfolgen. Die neuen und bestehenden Velofahrenden werden mit Anreizen von echten Preisen und mit Gamification auf das Velo gelockt. Damit erhöht sich der Anteil an Velofahrenden auf der Strasse und es wird eine ökologisch nachhaltige Mobilität gefördert.
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Verkehrslittering
Plädoyer für die Mobilitätswende
Wie wir aktuell den Verkehr organisieren, ist wenig sinnvoll: Durchschnittlich 70% der öV-Leistungen des Tages brauchen wir nicht für den Transport von Personen, sondern von leeren Sitzplätzen. An grossen Bahnhöfen gibt es 1000 Veloparkplätze, welche immer voll sind. Taxis haben 70% Standzeiten, Autos stehen 95% der Zeit nutzlos auf Parkplätzen und die genutzten Autos sind mit 1,1 Personen besetzt. Daher ist wenig erstaunlich, dass es der Verkehr als eine der wenigen Branchen in der Schweiz in den letzten 20 Jahren kaum schaffte, die Emissionen zu reduzieren. Es ist Zeit, endlich die Mobilitätswende einzuläuten. Es reicht nicht, alle Autos einzig auf E-Antrieb umzustellen oder einfach auf autonome Fahrzeuge zu warten. Vielmehr brauchen wir ein System, welches weniger Menschen ins Auto zwingt. Wir müssen Routinen durchbrechen, die Digitalisierung für verschiedenste Reisen von A nach B nutzen und vermehrt das Glück in der Nähe suchen. Reiner Technikoptimismus wird wenig bringen, da die Zeit davonläuft. Doch wie gehen wir es an: Städte haben schon längst begonnen und die Prioritäten verschoben. Es braucht nun aber auch Änderungen in Gesetzen, Regulierungen, Governance, Finanzierungen, Organisationen usw.
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Keine Angst vor dem Scheitern
Neue Mobilitätsideen nicht nur planen, sondern einführen
Viele Konzepte im Bereich Mobilität bleiben auf der Konzeptstufe stecken. Auf dem Papier funktionieren diese oft, doch erst bei der Umsetzung zeigen sich die tatsächlichen Herausforderungen beim Geschäftsmodell und im Betrieb. Aus diesem Grund müssen neue Mobilitätsformen und Ideen auch immer im realen Umfeld getestet werden. Der Einfluss des Verkehrsmittels oder der Dienstleistung auf die Mobilität kann erst beurteilt werden, wenn ein Test die Praxistauglichkeit bestätigt. Durch das Ausprobieren wird erhärtet, ob die neue Idee tatsächlich sticht. Zudem fördert es die Innovationskraft, die uns wiederum einen Schritt weiter in Richtung Verkehrswende bringt. Es wäre zu begrüssen, wenn mehr finanzielle Mittel für neue Ideen bereit gestellt würden. Sinn macht, bei Budgets systematisch Beträge für Innovationen und nächste Entwicklungsschritte vorzusehen.
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Digitale Apps statt teure Parkautomaten
Digitalisierung nutzen, um Infrastruktur zu reduzieren
Die Beschaffung, die Installation, die Betreuung, der Betrieb sowie die Entsorgung von Parkuhren und anderer Parkinfrastruktur kostet viel Geld. Mit neuen digitalen Lösungen können die Parkplätze auch per App und Software bewirtschaftet werden. Dafür reicht meist schon eine Informationstafel mit einem QR-Code. Danach bezahlen die Kund:innen unter Eingabe der Autonummer direkt die Parkgebühr über das eigene Smartphone und die Kreditkarte. Dies führt dazu, dass die Infrastruktur im öffentlichen Raum deutlich reduziert werden kann. Dies spart zum einen Kosten, zum anderen können die Kund:innen flexibler buchen und bezahlen, als dies mit Bargeld zum Start des Parkvorgangs heute geschieht. Zahlreiche Städte haben bereits mit den Anbietern EasyPark, Parkingpay, SEPP usw. zusammengespannt und diese Buchungs- und Zahlungsform ergänzend zur bestehenden Infrastruktur eingeführt.
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Engstellen clever ausmerzen
Statt Engpassausbau Verkehr durch Digitalisierung und durch Ausbau von Alternativen verflüssigen
Die Schweiz verfügt über sehr gute Verkehrsinfrastrukturen bezüglich Strasse und Schiene. Beiden ist gemeinsam, dass sie zu Spitzenzeiten an Hotspots überlastet sind, obwohl die durchschnittliche Auslastung über den Tag gesehen relativ bescheiden ist. Ein Ausbau dieser Infrastruktur ist teuer und langwierig. Deshalb muss die bestehende Infrastruktur besser ausgelastet werden. Zum Ziel führt, den Durchfluss an Engstellen zu erhöhen. Die Digitalisierung des Auto- und Bahnverkehrs wird diesbezüglich einen Beitrag leisten (z.B. Reduzierung der Fahrzeugabstände). Nötig ist aber auch, das optimale Verkehrsmittel an Engstellen einzusetzen (z.B. hat das Auto viele Vorteile in der Fläche, nicht aber an Engstellen, wo möglichst viel Personen durch einen Querschnitt geleitet werden sollten). Die gewünschte Steuerung der Alternativen kann über monetäre Anreize, Parkplatzbewirtschaftung, Umwidmung von Verkehrsflächen, Förderung des Fahrradverkehrs usw. erreicht werden.
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Dank Trafikscreen Verkehrslage im Griff
Multimodaler Mobilitätsmonitor mit Echtzeitabfahrten anbieten
Muss man auf den Bus hetzen oder kann man noch locker spazieren? Eventuell gibt es sogar den Zug oder Sharingfahrzeuge als Alternative? öV-Echtzeitinformationen sind gratis und über das Internet leicht zu erhalten, beispielsweise unter www.oevplus.ch. Dennoch fehlen oft im öffentlichen Raum oder in Gebäuden die Informationen zu den Mobilitätsmöglichkeiten. Mithilfe von öV-Abfahrtsmonitoren oder dem umfassenden multimodalen Mobilitätsmonitor Trafikscreen kann in Echtzeit das Mobilitätsangebot abgebildet werden. Die Bildschirme können auf Plätzen und Durchgängen oder in Gebäuden platziert werden. Der Service hilft, die oft zahlreichen öV-Abfahrten oder Alternativen für alle sichtbar zu machen und die Akzeptanz verschiedenster Verkehrsmittel generell zu erhöhen. Zudem bleibt man als öV-Nutzer:in über Verspätungen informiert und kann sich bei Verspätungen anpassen (beispielsweise einen Einkauf vorziehen). Im Quartier Mattenhof Kriens wurden im öffentlichen Raum Informationsstellen installiert. Sie zeigen die Abfahrtszeit der S-Bahnstation und der Bushaltestelle an. Im Ziegeleipark Horw werden multimodale Mobilitätsmonitore mit öV-Daten, Verkehrslage, öffentlichen und arealeigenen Sharingdiensten in Hauseingängen und auf der Allthings-Arealapp RegimoApp angeboten.
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E-Ladestationen mit Photovoltaik kombinieren
Die E-Mobilität mit dem eigens produzierten Strom ermöglichen
Die Elektromobilität ist auf dem Vormarsch und erhält durch den Ukrainekrieg und den gegenseitigen Sanktionen weiter Auftrieb. Alternative Antriebe gilt es aber auch sonst aus Nachhaltigkeitsperspektive zu fördern, wollen wir in weniger als 20 Jahren das Netto-Null-Ziel erreichen. Dabei darf nicht vergessen werden, aus welchen Quellen der Strom für die Ladestationen bezogen wird. Erst die Verwendung von Ökostrom ermöglicht eine nachhaltige Mobilität im gesamten Prozess und folgt damit dem Kreislaufgedanken. Bei der Installation einer Ladestation ist daher auch die Errichtung von Photovoltaik-Panels in Erwägung zu ziehen. Dies ist nicht nur nachhaltig, sondern kann das Auto auch als externer Stromspeicher für die Photovoltaik-Anlage dienen. In einigen Jahrzehnten wird sicher auch in der Schweiz vor Ort mit Wind, Wasser und Sonne Energie erzeugt und zum Beispiel in den Fahrzeugbatterien gespeichert und im Stromnetz ausgeglichen. Welche Hausdächer für Photovoltaik geeignet sind, zeigen verschiedene Tools vom Bund (BFE) oder den Kantonen.
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Platz für das Motorrad
Das Motorrad und der Roller in der Planung berücksichtigen
In der Schweiz sind 2020 771’586 Motorräder und Roller immatrikuliert (Bundesamt für Statistik, 2021). In der Planung geht diese Fahrzeugklasse aber oftmals vergessen und es fehlt die passende Infrastruktur vor allem bei der Parkierung. Das Motorrad muss vermehrt in der Planung berücksichtigt werden. Dabei geht es darum, genügend Abstellplätze zu erstellen und diese mit Ladestationen auszurüsten, um die Elektromobilität auch bei diesem Verkehrsmittel zu fördern. Gerade als Pendlerfahrzeug kann das E-Motorrad oder der E-Roller eine attraktive Alternative sein. Durch die Förderung der Motorräder und Roller kann die Gesamtfläche des Parkraums verringert werden, da die Fahrzeuge im Vergleich zum Auto weniger Platz benötigen. Beim Kauf ist zu beachten, dass Batterien nicht immer entfernt werden können, sodass ein Laden in der Tiefgarage oder im Veloraum vielfach nicht möglich ist. Roller mit Elektroantrieb sind derzeit auch bei Jugendlichen ab 16 Jahren sehr gefragt. Beliebt ist die Kategorie A1 resp. seit 2021 AM mit Geschwindigkeiten bis 45km/h und je nach Batterie bis 100km Reichweite. Es gibt aber auch E-Roller bis 20km/h ab 16 Jahren ohne Führerschein, wobei diese als langsame E-Bikes gelten. Die Grenzen zwischen den Zweiradkategorien verschwinden sowieso zunehmend, so dass Behörden mit den Regulatorien zunehmend gefordert sind.
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Standorte ins Zentrum verlagern
Läden und Supermärkte an zentralen Lagen erstellen
Derzeit ist es gängige Praxis, kleine Supermärkte im Dorfzentrum durch neue grössere Supermärkte auf günstigem Industrieland ausserhalb von Wohnsiedlungen zu erstellen. Dort werden genügend Parkplätze zur Verfügung gestellt, damit die Kunden mit dem privaten Fahrzeug den Shop leicht erreichen können. Sinnvoller wäre, Supermärkte und Läden an zentralen Orten im Quartier zu erstellen. Damit wird die Distanz zu den Kunden reduziert. Meist sind zentrale Lagen auch mit verschiedenen Verkehrsmitteln besser erschlossen. Zudem beleben sie die Dorfzentren. Als Beispiel kann Ikea dienen, die neu eine City-Filiale in Wien realisiert hat. Darin finden die Kunden alle Produkte ausgestellt und können kleinere Objekte gleich mitnehmen. Etwas ausserhalb der Stadt entsteht ein Logistikzentrum, welches die Kunden dann mit den schwereren Möbeln direkt nach Hause beliefert. In der Schweiz gibt es eine erste Filiale einer «Mini»-IKEA in Form von einem «Planungsstudio» seit Februar 2022 in Chur. Solche physischen Kontaktpunkte mit Kunden brauchts gemäss IKEA noch immer, obwohl in den letzten zwei Jahren sich die Onlineverkäufe von 8 auf 24 Prozent verdreifacht haben. Ein anderer Trend sind die kleinen Self-Service-Shops, beispielsweise die «Avec Box» von Valora oder die «Voi Cube» der Migros Genossenschaft Aare. Vielleicht bringen diese personallosen Konzepte dereinst flächendeckend den Lebensmittelladen wieder ins Quartier.
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Essen clever ausliefern
Unkoordinierte Essenslieferungen verursachen pro ausgelieferte Mahlzeit zwei Autofahrten
Immer mehr Lieferdienste kommen in die Schweiz und bieten inzwischen neben Essenslieferungen auch Lieferdienste von Kiosken oder Spirituosengeschäften. Der Trend zeigt, dass immer mehr Essen bestellt wird und daher auch immer mehr Lieferungen durchgeführt werden. In der Verkehrsplanung sollen Lieferdienste vermehrt berücksichtigt werden. Beliebte Restaurants werden zu den Spitzenzeiten oft von Kurieren mit dem Velo, Roller oder dem Auto angefahren und verursachen viel Verkehr, wenn Essensauslieferungen nicht koordiniert disponiert werden. Mit Haltezonen und ideal platzierten Velo- und Motoabstellanlagen ist die verkehrliche Abwicklung einfach und sicher. Allenfalls muss dereinst per Regulation die Lieferdienste auf gewisse Fahrzeugkategorien beschränkt oder zur Flottenauslieferung verpflichtet werden. Ideal ist zudem, wenn nicht jede Malzeit eine Einzelfahrt auslöst, sondern die Aufträge, wenn immer möglich, gebündelt ausgeführt werden. Dies muss in der Software möglich sein, was u.a. ins Geschäftsmodell der Plattformen eingreift. Vermehrt achtet die Kundschaft zudem auf Nachhaltigkeit. In gewissen Diensten kann bereits die Fahrzeugkategorie gewählt werden. Zweiräder oder Fahrzeuge mit Elektroantrieb schneiden da besser ab und werden bevorzugt.
Das zunehmende Homeoffice hat dazu geführt, dass Firmenparkplätze oft leer stehen, obwohl theoretisch alle Parkplätze vergeben sind. Gleichzeitig finden Mitarbeitende, die in Ausnahmefällen mit dem Auto zur Arbeit kommen, kaum einen freien Platz. Diesem Dilemma schaffen verschiedene Apps Abhilfe. Mitarbeitende können an Homeoffice-Tagen oder in den Ferien ihren Parkplatz für Personen freigeben, die keinen fixen Parkplatz haben und grundsätzlich mit dem öV oder dem Velo zur Arbeit kommen. Letztere bezahlen einen Beitrag pro Tag oder Stunde für den temporär genutzten Parkplatz. Abzüglich einer kleinen Vermittlungsgebühr (zur Finanzierung der App) erhält die Person mit dem Parkplatz das Geld. Damit das möglich ist, muss das Unternehmen eine entsprechende App zur Verfügung stellen und alle Parkplätze nummerieren. Als Beispiele dienen die Plattformen Fairpark oder Alpha Standards. Mit solcher Software wird die Parksituation im Unternehmen verbessert und gegebenenfalls der Bau von zusätzlichen Parkplätzen obsolet.
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Strasse als Lebensraum
Verkehrsinfrastruktur nicht einseitig aufs Auto ausrichten
2 Prozent der gesamten Landesfläche und rund ein Drittel der Siedlungsfläche in der Schweiz ist als Verkehrsinfrastruktur deklariert (Bundesamt für Statistik, 2021). Gerade in Siedlungsgebieten ist die Verkehrsinfrastruktur viel mehr als reiner Verkehrsweg. Verkehrsinfrastruktur kann ein Begegnungsraum, ein Spielplatz, eine Frischluftachse, ein Sportplatz und vieles mehr sein. Strassen werden immer wieder mit Lebensadern verglichen, da sich auf ihnen das Leben abspielt. Die Verkehrsinfrastruktur muss aus diesem Grund aus einer neuen Perspektive geplant werden. Die vielfältigen Ansprüche sollten evaluiert und sinngemäss eingesetzt werden. Dadurch wird mehr auf den Lebensraum der Menschen Rücksicht genommen und es entstehen neue Strassenzüge mit mehr Lebensqualität, da der Fokus neu ausgerichtet wird. Als Beispiel gelten die Superblocks im Stadtviertel Poblenou in Barcelona, wo dem Auto nur noch die Zufahrt, nicht aber die Durchfahrt durchs Quartier möglich ist. Stattdessen gibt es mehr Raum für den Langsamverkehr und für die Quartierbevölkerung.
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Kopf lüften auf dem Arbeitsweg
In Unternehmen optimale Rahmenbedingungen fürs Velo schaffen
Der durchschnittliche Pendelweg in der Schweiz beträgt 29 Minuten und umfasst eine Distanz von 14.5 Kilometer (Bundesamt für Verkehr, 2021). Der Modalsplit für Pendlerinnen und Pendler zeigt dabei auf, dass der motorisierte Individualverkehr rund 45% ausmacht, währenddessen der Anteil an Veloverkehr rund 9% beträgt (Bundesamt für Statistik, 2021). Insofern verfügen Pendelwege, die eine vertretbare Distanz aufweisen, Potenzial, um die Nutzung des Velos zu fördern. Dabei nehmen Unternehmen eine zentrale Rolle ein. Sie können den Mitarbeitenden ein Rundum-Sorglos-Paket fürs Velo zur Verfügung stellen: Die Mitarbeitenden erhalten einen finanziellen Beitrag zum Kauf eines Velos, können dieses gratis zur Reparatur bringen, können am Unternehmensstandort ihre Velo-Utensilien einschliessen und finden eine Garderobe, Dusche sowie einen Trocknungsraum für nasse Velokleider am Arbeitsplatz vor. Idee ist, die Mitarbeitendenmobilität ökologischer zu gestalten, sowie das betriebliche Gesundheitsmanagement einzubeziehen. Eine ganzheitliche Umsetzung zeigt das Beispiel von MSC in Antwerpen, wo ergänzend die Verkehrsinfrastruktur optimal ausgestaltet wurde.
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Zeitgemässe Wohnareale nehmen die Mobilität ernst
Mobilitätskonzepte zeigen das Zusammenspiel von Massnahmen hin zu nachhaltigem Verkehr
Das Zürcher Merkblatt Mobilitätskonzept in Kürze: „Die angestrebte bauliche Verdichtung in der Siedlungsentwicklung bringt zusätzlichen Verkehr und auch die verkehrsbedingten Umweltbelastungen bleiben eine Herausforderung. Die Mobilitätsnachfrage wird bedeutend steigen, und die heute spürbaren Überlastsituationen im öffentlichen Verkehr und auf den Strassen akzentuieren sich bis 2030 weiter. lm Zuge einer Arealentwicklung oder auch eines einzelnen grösseren Bauvorhabens ist es oft zweckmässig, ein Mobilitätskonzept zu erarbeiten und umzusetzen. Es bildet eine Arbeitshilfe zu Inhalten (Zielsetzungen, Massnahmen, etc.) und zur Umsetzung von Mobilitätskonzepten.“ Wichtig ist folgendes: Mobilitätskonzepte lösen nicht das Problem, sondern zeigen das Zusammenspiel zur Problemlösung. Gute Mobilitätskonzepte sind realistisch, zeitgemäss, nutzen das Potenzial neuer Mobilitätsangebote und werden auch tatsächlich umgesetzt. Sinnvollerweise wird die Mobilität frühzeitig in der Arealentwicklung thematisiert, beispielsweise mit Vorgaben im Wettbewerb oder einer Strategie Mobilität im Vorprojekt. Ein realisiertes Beispiel ist das Areal 4VIERTEL in Emmenbrücke als Teil der Smart City LuzernNord. Dort funktioniert das Zusammenspiel von Mobilitätsangeboten, reduziertem Auto-Parkplatzangebot, Mobilitätsbeiträgen und Mobilitätsstation mit Sharing. Ausserdem wird dem Thema Mobilität bereits in der Vermarktung viel Beachtung geschenkt, wie die aktuelle Website zeigt.
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Handwerker mit E-Cargobikes unterwegs
Cargobikes als urbaner Servicewagen
In urbanen Regionen sind die Verkehrswege oftmals überlastet, der Verkehr stockt nicht nur zu Hauptverkehrszeiten. Davon sind auch Handwerker betroffen, die im Stau stehen oder ihre Lieferwagen nicht an geeigneten Plätzen abstellen können. Mit dem Einsatz von E-Cargobikes in urbanen Gebieten können auch Handwerker schneller, ökologischer und näher zum Einsatzort gelangen. Die Fahrzeuge sind deutlich agiler und flächeneffizienter und sind dadurch besser auf die Gegebenheiten der Stadt abgestimmt. Lastenräder gibt es in verschiedenen Grössen, wobei für gewöhnlich rund 100kg zugeladen werden kann. Die Mobilitätsakademie des TCS bietet ergänzend mit SMARGO elektrisch betriebene Kleintransporter stundenweise leihbar als Sharing-Dienstleistung an. Die Betriebe können mit dieser Massnahme gegenüber Firmenautos gar Geld einsparen. In der Innerschweiz hat die Albert Koechlin Stiftung 2022 erfolgreich ein Förderprogramm lanciert. Die vergünstigten E-Cargobikes fürs Gewerbe sind jeweils in Kürze vergeben.
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Verschiedene Dienste kombinieren
Mobilitätsdienstleistung verschiedenster Kategorien gemeinsam anbieten
Da sich viele Unternehmen nur auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, entstehen für Kunden wenig sinnvolle Reiseketten und meist nur isolierte Mobilitätsdienstleistungen. Inzwischen gibt es Mobilitätsdienstleister, die ihr Kern-Angebot mit weiteren Möglichkeiten anreichern. Dies führt zu Angeboten, die die Kundschaft effizienter ans Ziel bringen. Sie kann immer das passende Verkehrsmittel wählen. Ideal ist die Kombination von Anbieter für Langstrecken und jene der kurzen ersten und letzten Meile. Solche kombinierten Anbieter sind noch Mangelware, aber wichtig für die Verkehrswende, da attraktivere mulimodale Angebote entstehen. Ein Beispiel ist BlaBlaBus, welcher mit Fernbussen Langstrecken fährt und für die individuelle Verteilung in der Region auf BlaBlaCar setzt. Dort bilden sich neue Fahrgemeinschaften im Sinn von Carpooling, die eine feinmaschigere Verteilung vor Ort ermöglichen. Ein Vorbild bezüglich Kombination verschiedenster Dienste in einem Abo sind auch die Stadtwerke Augsburg (swa), beispielsweise mit ihren Mobil-Flat Abos: Beim Paket M für 86 Euro im Monat ist neben dem Bus&Tram-Abo auch täglich 30min swa-Bikesharing und 180h swa-Carsharing mit dabei.
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Verkehrswende will gelernt sein
Mobilität in der Schule mit geeigneten Unterrichtsmaterialien thematisieren
Die Mobilität ist Grundbestandteil unseres Lebens und dennoch fehlt ein wirkliches Bildungsangebot für Kinder und Jugendliche in diesem Bereich. Um die Verkehrswende voranzubringen, müssen gerade die Jugendlichen in diesem Thema ausgebildet werden. Um ein Grundverständnis zum Thema Mobilität und Verkehr zu haben, sollte das Thema tiefer betrachtet werden, als sich lediglich auf den Aspekt der Verkehrssicherheit zu beschränken. Mit einer gut informierten Bevölkerung bezüglich aller Verkehrsmittel können die Weichen für die Zukunft bewusster gestellt werden. Zudem erhalten Massnahmen mehr Rückhalt. Zusätzlich entscheiden sich die Menschen dadurch bewusster, wie sie sich in der Welt bewegen wollen. Unterrichtsmaterial zu diesem Thema hat beispielsweise die Heinrich-Böll-Stiftung erstellt und stellt es den Schulen online zur Verfügung. Beim öV stellen teilweise Verkehrsverbunde oder öV-Transportunternehmen Unterlagen bereit.
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Mit öffentlichem Individualverkehr flexibel unterwegs
Mit On-Demand-Diensten bzw. Ridepooling kollektive Verkehrsmittel attraktiver machen
Kaum ein Verkehrsmittel ist so flexibel einsetzbar wie das Auto. Auch aus diesem Grund ist es als Verkehrsmittel so beliebt. Andere Verkehrsmittel wie der öV sind an Strecken und Fahrpläne gebunden. Der Fuss- und Veloverkehr hat einen deutlich kleineren Radius. Zudem wird er vom Wetter und der Topografie beeinflusst. Mit Ridepooling gibt es Mobilitätsangebote zwischen Taxi und öV, die sich die Stärken des Autos zunutze machen, aber die Fahrt dennoch mit anderen teilt. Mit Sammeltaxis wird die einzelne Fahrt günstiger und ökologisch nachhaltiger. Die Nutzer:innen können via App oder Website die Fahrten bestellen, wann und wohin sie wollen. Die Software bündelt die Anfragen und weisst sie den im Einsatz stehenden Fahrzeuge zu. Beispiele sind mybuxi, Publicar, SALÜ, Pikmi oder MOIA. Simulationen auf Basis von Erhebungen bei MOIA in Hamburg zeigen, dass die Verkehrswende dann möglich wird, wenn attraktive alternative Angebote zum privaten Auto geschaffen und zusätzlich Regelungen für den motorisierten Individualverkehr eingeführt werden (minus 8% Autoverkehr). Auch wurde festgestellt, dass auf dem Hinweg eher der öV, auf dem Rückweg das Ridepooling-System genutzt wurde. Dieses Beispiel zeigt, dass Ridepooling den öV stärken kann – nämlich dort, wo er z.B. abends seine Schwächen hat.
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Mobilitätsvielfalt nutzen
Vielfalt der Mobilität nutzen und damit alte Denkmuster aufbrechen
Was ist sinnvoller? A) Ein Minibus fährt abends um 23 Uhr 4 Personen nach Hause und setzt Sie vor den jeweiligen Haustüren ab. B) Ein Standardbus (70 Plätze) fährt abends um 23 Uhr 4 Personen nach Hause und setzt Sie bei einer Haltestelle 400 Meter vom Quartier entfernt ab. Ziemlich sicher wählen Sie A), weil die Personen vor der Haustüre abgesetzt werden und ein adäquates Fahrzeug eingesetzt wird. Wenn die Geschichten nun aber mit den Angaben ergänzt werden, dass es sich bei A) um Uber Pool als Ridepooling und B) um einen Busbetrieb des öffentlichen Verkehrs handelt, wird Ihre Wahl sehr wahrscheinlich nicht mehr so klar sein. Es sollten aber nicht voreilig Schlüsse gezogen und neue Angebote eingeschränkt oder verboten werden. Denn sie bringen ein Potential mit sich, neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen, die vielleicht zuvor mit dem eigenen Auto in die Stadt gefahren sind. Warum wird der Fernbus in vielen Städten immer noch diskriminiert, ermöglicht er doch vergleichsweise saubere und direkte Fernreisen vor allem hin zu mittelgrossen Zielen? Warum erhält ein leerer Bus abends um 23.30 Uhr Abgeltungen, während gleichzeitig ein Ridepooling-Angebot (On-demand) selbsttragend sein muss? Gäbe ein Bikesharing-System nicht einen grösseren Nutzen als ein Ortsbus im Stundentakt? Genauso wenig wie der öV ist beispielweise ein Sharing-Dienst für jeden Zweck das richtige Mittel. Aber «neue Mobilität» heisst die Vielfalt nutzen und alte Denkmuster aufbrechen. Auch die Finanzierungen gilt es diesbezüglich zu hinterfragen, damit immer das sinnvollste Verkehrsmittel mit öffentlichen Mitteln unterstützt wird.
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Anwohnerparkkarten verknappen
Verkehr über Parkarten für öffentliche Parkplätze steuern
Die öffentlichen, oberflächlichen Parkierungsanlagen in Städten sind meist fürs kurzzeitige Parken ausgelegt. Anwohnende haben die Möglichkeit, diese mit Anwohnerparkkarten auch für längere Zeit zu nutzen. Die Strassenzüge werden jedoch durch die Fahrzeuge von Langzeitparkierenden belastet (Ehrbar, 2021). Mit den Anwohnerparkkarten haben die Städte jedoch ein Instrument zur Steuerung dieser Parkplätze über den Preis oder über Ausstellungskriterien. Als Kriterium kann zum Beispiel ein Nachweis verlangt werden, dass am Wohnort kein privater Parkplatz zur Verfügung steht. Beim Preis können Anreize gesetzt werden, indem z.B. kleine oder energieeffiziente Fahrzeuge rabattiert werden. Durch die Steuerung von Anwohnerparkkarten können die öffentlichen Parkplätze vermehrt von Kurzzeitparkierenden genutzt oder einem anderen Zweck zu geschieden werden. Zudem kann ein höherer Umschlag bei gleicher Parkplatzanzahl erreicht werden, so dass ein Parkplatzausbau nicht nötig wird. Basel prüft die Einführung einer Anwohnerparkkarte, die nach der Grösse des Fahrzeugs berechnet wird. Andere Städte möchte verschärfen die Vergabekriterien.
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Parkplätze zu Freiräumen umnutzen
Flächen passend zum Bedürfnis umwidmen
Laut einer Untersuchung der Stadt Zürich sind zirka 10 Prozent der Parkplätze von Wohnbauten in der Stadt leer. Mit einer besseren Ausnutzung dieser Parkplätze könnte der Parkierungsdruck auf den öffentlichen Parkplätzen reduziert werden (Häne, 2015). In urbanen Umgebungen wird der verfügbare Platz von Fassade zu Fassade vorgegeben und meist durch Verkehrsflächen dominiert. Durch die Reduktion von oberirdischen Parkplätzen werden Flächen frei, die neu eingesetzt werden können. Der Raum ermöglicht Projekte wie Busspuren, Velo- oder breitere Fusswege. Durch sie können auch neue Pop-up-Parks, mehr Grünraum in den Strassen oder grössere Aussenflächen für Gastronomiebetriebe realisiert werden. Als Beispiel gilt das Hirschmattquartier in Luzern, wo die Stadt Luzern 76 Parkplätze aufhob und Strassenzüge mit mehr Aufenthaltsqualität entstanden.
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Den öV kreativ bevorzugen
Mit einer physischen oder digitalen Spur den öV bevorzugen
Die Website puenktlichkeit.ch zeigt sehr eindrücklich Verspätungen im öffentlichen Verkehr auf. Verkehrsmittel können am effektivsten gefördert werden, indem Behinderungen reduziert werden. Im Vergleich mit anderen öffentlichen Verkehrsmitteln ist der Bus auf der Strasse einem sehr dynamischen Umfeld ausgesetzt. Während dem Tag können sich die äusseren Umstände verändern und der Bus steht meist zu Hauptverkehrszeiten im Stau, wo sonst freie Fahrt herrscht. Mit eigenen Fahrspuren kann der Bus beschleunigt werden und staugefährdete Abschnitte umgehen. Busspuren können dabei fester Bestandteil der Strasseninfrastruktur sein oder mit einem elektronischen System temporär entstehen. Vielleicht kann er aber auch durch eine für Autos gesperrte Parallelstrasse geführt werden oder mittels Busspur an vorgelagerten Dosieranlagen an den Autos vorbeigeführt werden. Der Bus gewinnt dadurch an Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit – unabhängig von der Verkehrslage. Ein Beispiel ist die elektronische Busspur in Luzern an der Spitalstrasse, die zu Spitzenzeiten zum Einsatz kommt.
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Die Technik der Zukunft wird heute gekauft
Was heute gebaut oder gekauft wird, ist bis übermorgen in Betrieb
Häufig wird in der Mobilität die Lebensdauer von Fahrzeugen oder Infrastruktur unterschätzt. Gerade auch langfristige Ziele werden nicht mit der Lebensdauer der Fahrzeuge und Infrastrukturen verbunden. Als Beispiel dienen die Klimaziele, die bis 2050 erreicht werden sollen. Die heutigen Infrastrukturprojekte mit Lebensdauern von 80 bis 100 Jahren müssen daher bereits mit den Klimazielen vereinbar sein. Somit ist gut zu überlegen, welche weiteren Infrastrukturen es noch braucht. Eine Herausforderung sind aber auch die Fahrzeugflotten. Zum Beispiel haben Flugzeuge und Züge eine Betriebszeit von über 30 Jahren, Autos von rund 13 Jahren. Heute neu gekaufte Flieger werden somit an unseren Flughäfen noch in Betrieb sein, wenn die Schweiz klimaneutral sein will. Die Planung sollte aus diesem Grund die Entwicklung bereits berücksichtigen. Erkenntnis: Mit den Technologien von heute müssen wohl die Probleme von morgen gelöst werden. Es kann daher auch kaum mehr abgewartet und auf neue Errungenschaften gehofft werden.
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Gratis-öV für Touristen
Mehrtagesgäste kommen in den Genuss von kostenlosem öV
Die Gästekarte ist ein etabliertes und bekanntes Mittel, um Synergien im Tourismus zu nutzen. Übernachtungsgäste erhalten diese bei Bezahlung der Kurtaxen. Vergünstigungen für Museen und andere Partnerbetriebe sind dabei enthalten, oftmals auch für den öV. Um den Gästen einen weiteren Anreiz zu bieten, ihre Mobilität während des Aufenthalts mit dem öV zu bestreiten, soll der öV gänzlich inkludiert werden. Als Vorbild dient hierbei das Ticino Ticket, welches freie Fahrt im ganzen Tessin garantiert (Agenzia turistica ticinese SA, 2021). Dies ist unkompliziert zu nutzen, da es sich um einen grossen Perimeter handelt und keine Zonenbegrenzungen studiert werden müssen. Zudem dient es als Anreiz für die Anreise mit dem Zug, da ab der Kantonsgrenze keine Kosten anfallen.
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Konzepte verständlich erklären
Gesamtverkehrskonzepte der Bevölkerung veranschaulichen und schrittweise umsetzen
Derzeit werden viele Gesamtverkehrskonzepte (GVK) oder Mobilitätstrategien geschrieben, welche die Mobilität als Gesamtpaket betrachten. Basierend darauf leiten dann Kantone, Städte oder Gemeinden die richtigen Planungsschritte aus Gesamtverkehrsoptik und somit über alle Verkehrsmittel ein. Diese Gesamtverkehrskonzepte mit ihrer Fülle an abgestimmten Massnahmen sind für die Bevölkerung jedoch sehr abstrakt und meist schwer verständlich. Deshalb müssen solche Konzepte auf die richtige Weise kommuniziert werden, damit die Bevölkerung das Ziel und die Realisierungsabfolge verstehen. Dies fördert den Rückhalt der Massnahmen. Ein Beispiel ist der Film zur Strategie Mobilität der Stadt Sursee. Dort wird die Vision, die strategischen Stossrichtungen, die Ziele, die Organisation, die Umsetzungskultur und repräsentative Massnahmen mit anschaulichen Beispielen erklärt. Trotz guter Kommunikation bleibt die Gefahr bestehen, dass bei der Fülle an Massnahmen der Start zur Umsetzung eines Gesamtverkehrskonzepts schwerfällt. Das ist aber nötig, da das Konzept allein noch keine Verbesserungen bringt. Massnahmen müssen somit finanziert, terminiert und dann schrittweise auch umgesetzt werden.
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Steckdosen für alle E-Fahrzeuge
Ein SIA-Merkblatt legt die Infrastruktur für Elektrofahrzeuge in Gebäuden fest
2.3 Millionen Schweizer:innen (60%) leben in einer Mietwohnung (Bundesamt für Statistik, 2021). Der Anteil an E-Autos, E-Cargobikes, E-Bikes und E-Roller steigt in der Schweiz stark. Bisher gab es noch kaum Ladeinfrastruktur in Parkgaragen und Veloräumen, was für Mietende den Kauf eines Elektroautos unattraktiv machte oder das Laden von Zweirädern erschwerte. Der SIA hat aus diesem Grund im Jahr 2020 das SIA-Merkblatt 2060 veröffentlicht, in dem die Infrastruktur für Elektrofahrzeuge in Gebäuden festgehalten ist. Dabei wird der Ausbau in mehrere Stufen unterteilt: Von Vorbereitungsarbeiten bis zur Bereitstellung der Ladeinfrastruktur für die Nutzer:innen. Mit der Umsetzung und Einplanung der Elektromobilität in Mietgebäuden (Neubauten und Bestandesliegenschaften) können sich auch die Mietenden für ein Elektrofahrzeug entscheiden und erhöhen damit deren Anteil am schweizerischen Fahrzeugpark. E-Mobilität darf nicht ein Privileg für Einfamilienhausbewohner:innen werden.
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Work anywhere
Mit dezentralen Coworking-Spaces Verkehr reduzieren
Arbeitswege sind mit 24% der Distanzen der zweitwichtigste Verkehrszweck nach dem Freizeitverkehr (32%). Die durchschnittliche Distanz beträgt dabei 12.4 km. (Bundesamt für Statistik, Bundesamt für Raumentwicklung, 2017). Werden weniger Wege und Distanzen für die Arbeit zurückgelegt, können die negativen externen Effekte reduziert werden, die durch den Verkehr entstehen. Dazu gehören in erster Linie CO2-Emissionen sowie Crowding-Effekte auf der Strasse (Stau) und im öV (Dichtestress). Ein Schlüssel dazu liegt in der Förderung des Homeoffice. Da der Arbeitsplatz zu Hause nicht für jedermann eine gute Lösung ist, sind Coworking-Spaces in der Nähe des Wohnortes eine vielversprechende Alternative. Nebst den eingesparten Kilometern schafft dies Raum für betriebsübergreifenden Austausch unter den Coworkern und ermöglicht den Aufbau und die Pflege einer lokalen Community. Coworking Spaces sind zunehmend auch in Agglomerationen und im ländlichen Raum zu finden (Coworking Switzerland, 2021). Derzeit macht sich der Kanton Luzern im Rahmen des neuen Verwaltungsgebäudes in der Smart City Luzern Nord Gedanken, regionale Coworking-Spaces auf der Landschaft zu etablieren.
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Carsharing demokratisieren
Mit peer-to-peer-Carsharing Autos im Quartier unter Freunden teilen
Mobility betreibt in der Schweiz knapp 3000 Fahrzeuge an rund 1500 Standorten. Weil jeder fünfte Privatkunde und jedes zweite Unternehmen mindestens ein zusätzliches Fahrzeug beschaffen würde, wenn es Carsharing nicht gäbe, entlastet Mobility den Verkehr um 35’500 Fahrzeuge. Oder anders formuliert: Ein Mobility-Auto ersetzt 11 Privatautos. Gleichzeitig bleiben schweizweit 54’500 Parkplätze frei – eine Fläche von 190 Fussballfeldern (Geschäftsbericht 2020). Carsharing ist also eine grossartige Sache und muss weiterentwickelt werden. Erste Autofirmen liefern Autos inkl. Sharing-Ausrüstung aus (z.B. MINI Sharing), so dass ein Quartier oder eine Familie das Auto über eine App teilen kann. Möglich wird so, dass ein Auto auch im Quartier geteilt wird und damit Carsharing plötzlich demokratisiert wird. Noch sinnvoller wäre, wenn an der Plattform nicht nur Autos angehängt wären, sondern auch E-Scooter, E-Bike, E-Cargobike und E-Roller, wie z.B. an der neuen Mobilitätsstation Weinbergli.
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Neue Strassen passend zum übrigen Netz planen
Angebots- statt nachfrageorientiert planen
Die Verkehrsqualität ist eine rechnerische Grösse, die bei der Planung von Strassen zu ermitteln ist (von «sehr gut» bis «ungenügend»). Mit der Berechnung der Verkehrsqualität kann nachgewiesen werden, dass die neue Strasse die erwartete Verkehrsbelastung mit einer angestrebten Qualität abwickeln kann und die vorgegebene Reisegeschwindigkeit erreicht wird. Heute können aber vielfach selbst neue Verkehrsinfrastrukturen nur noch auf tiefere Verkehrsqualitätsstufen (z.B. «ausreichend») dimensioniert werden. Zu aufwändig würden sonst beispielsweise Verkehrskreuzungen mit nötigen Bypässen und/oder kreuzungsfreien Unter- oder Überführungen zwischen den Hauptrichtungen. Solche teuren Infrastrukturen wären nötig, um die Verkehrsmenge bei bester Qualitätsstufe («sehr gut») zu verarbeiten. Zudem ergibt es oft keinen Sinn, das Netz bloss an einem Knoten leistungsfähiger zu machen. Der Stau verlagert sich meist an einen Nachbarknoten, welcher danach wieder die Leistungsgrenze definiert. Vielmehr sollte ein plafoniertes Angebot festgelegt werden und anschliessend die Infrastruktur darauf passend ausgelegt werden.
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Schluss mit Ski schleppen
Gepäcktransport erleichtert die Anreise in Wintersportorte
Die Anreise zum Skifahren wird von der überwiegenden Mehrheit der Gäste mit dem Auto vorgenommen. Schätzungen von verschiedenen Destinationen gehen von 80–90% Auto-Anteil aus. Der Transport von Sportausrüstung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln wird als aufwändig und kompliziert empfunden. Die letzte Meile vom Bahnhof zur Unterkunft oder Bergbahnstation stellt dabei eine grosse Hürde dar. Abhilfe schafft ein gezielter Gepäckservice. Bekannt ist jener der SBB, welcher als Tür-zu-Tür-Service gebucht werden kann (Alternative mit tieferen Kosten: Bahnhof-zu-Tür, Tür-zu-Bahnhof oder Bahnhof-zu-Bahnhof). Zudem sind innovative Ideen gefragt, wie beispielsweise der Gepäckroboter „Robi“, welcher 2021 in Saas-Fee den Testbetrieb aufnahm (Hotelrevue, 2021).
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Ins Doing kommen
Nach Gesamtverkehrskonzepten müssen die Massnahmen auch umgesetzt werden
Beinahe jeder Kanton, jede Stadt oder jede Gemeinde hat eine Mobilitätsstrategie, ein Gesamtverkehrskonzept oder ein Verkehrsrichtplan. Fast wöchentlich werden schweizweit neue Planungen veröffentlicht, in den Parlamenten diskutiert oder von der Exekutive verabschiedet. So weit so gut. Eine politische Verankerung ist dringend notwendig. Jedoch bedarf es danach auch einer Handlung bzw. einem «Doing». Unsere Erfahrung zeigt, dass leider ein Grossteil dieser Konzepte zwar bei jeder Gelegenheit zitiert wird, aber kaum Taten folgen. Beispiele gefällig? Beinahe in jedem Gesamtverkehrskonzept ist die Rede von «Sharing fördern», «Besetzungsgrad der Autos erhöhen» oder «Mobility Pricing einführen». Bis auf ein paar Ausnahmen werden solche Themen nie weiter geplant, geschweige denn umgesetzt. Woran liegt es? Ein wichtiger Grund dürfte bei den Ressourcen personeller und vor allem finanzieller Natur liegen. Während der Bau von Velowegen, die Sanierung von Fussgängerstreifen oder der Ausbau des öV über Jahrzehnte institutionalisiert wurde und über entsprechende Budgets verfügen, bleiben die neuen Themen aus den genannten Konzepten auf der Strecke. Damit die Verantwortlichen bei diesen Themen ebenfalls ins «Doing» kommen, braucht es nicht zwingend mehr, sondern meist anders verteilte Ressourcen und Prioritäten.
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Das Geschäftsauto verdient Geld
Firmen-Flottenfahrzeuge mit Privatpersonen teilen
In Unternehmen steht derzeit viel ungenutztes Sharing-Potenzial bereit. Warum? Firmen kaufen Flotten-Fahrzeuge und nutzen sie hauptsächlich während den Wochentagen zu Geschäftszeiten. Der ganze Fahrzeugpark steht damit rund 14 Stunden pro Tag ungenutzt in der Firmengarage. Würden Geschäftsautos mit Sharing-Einheiten ausgerüstet, könnten die Fahrzeuge für private Nutzer geöffnet werden. Das Unternehmen definiert dabei die Betriebszeiten für sich, damit die Fahrzeuge in dieser Zeit bereitstehen. In der restlichen Zeit können die Fahrzeuge ausgeliehen werden und generieren überdies Umsatz für das Unternehmen. Für Private öffnet sich damit ein grosser Fahrzeugpark, vom Kleinwagen bis zum Lieferwagen. So kann als Haushalt einfacher auf ein Auto oder den Zweitwagen verzichtet werden, da genügend Sharing-Fahrzeuge bereitstehen.
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Gleichberechtigung im Pendlerverkehr
Gleiche Anreize für Mitarbeiter-Mobilität schaffen
61% der Arbeitnehmenden im Kanton Luzern verfügen über einen Gratis-Parkplatz am Arbeitsort (Kt. Luzern, VVL und Stadt Luzern, Monitoring Gesamtverkehr Luzern, 2017). Damit wird im Pendlerverkehr ein Anreiz zur Nutzung des Autos geschaffen, indem ein knappes Gut vom Unternehmen kostenlos oder subventioniert angeboten wird. Zur Gleichbehandlung aller Verkehrsmittel können die Unternehmen den Parkplatz zu Marktpreisen anbieten. Alternativ können die Parkplätze aber weiterhin kostenlos oder vergünstigt angeboten werden, sofern die anderen Verkehrsmittel im gleichen Umfang unterstützt werden. Dies kann beispielsweise über Mobilitätspakete mit Gutschriften oder Mobilitätsbudgets in Apps umgesetzt werden. Mit dieser Gleichbehandlung wird sich eine Verschiebung hin zu den ressourcenschonenden Verkehrsmitteln einstellen. Dadurch kann Parkraum reduziert oder ein Personalausbau bei gleicher Parkfläche realisiert werden.
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Instabiles Umfeld erfordert agile Planung
Mobilität mit agiler Methode Design Thinking planen
Die Mobilität ist im Umbruch, das Tempo in der Arbeitswelt hoch und die Fragestellungen zunehmend komplexer. Dies hat auch Auswirkungen auf die Arbeitsweise. War es früher Standard, nach einer Startsitzung, den Verkehrsplaner vier Monate im „stillen Kämmerlein“ einen 70-seitigen Bericht schreiben zu lassen, sind heute agilere Methoden gefragt. Eine Methode, die eine engere Zusammenarbeit zwischen Auftraggeberin, Auftragnehmer und weiteren Disziplinen erlaubt, schnell zu ersten Ideen führt, sowie mehrere Überarbeitungszyklen ermöglicht, ist Design Thinking. Dieser Ansatz hat den Ursprung in der Informatik, kann aber problemlos auch in der Mobilitätsplanung verwendet werden. Ziel von Design Thinking ist es, in sechs Schritten Lösungen zusammen mit der Auftraggeberin zu finden, die aus Nutzersicht überzeugend sind. Zuerst geht es ums „Verstehen“ der Problemstellung und des damit verbundenen Problemfelds, das alle Bedingungen und Einflussfaktoren umfasst. Der zweite Schritt enthält das „Beobachten“: Mit Recherche, in Gesprächen mit Partnern oder in der Analyse von Daten erhält man ein gesamtheitliches Bild der Problemstellung. Danach folgt die „Synthese“ der gefundenen Erkenntnisse, bevor „Ideen“ erarbeitet werden. Im fünften Schritt „Entwurf“ wird basierend auf den Ideen gemeinsam die konkrete Lösung ausgearbeitet. Zum Schluss wir beim „Testen“ die Lösung mit weiteren Fachleuten, Entscheidträgern oder der Bevölkerung gespiegelt. Sitzt die Lösung noch nicht, wird im Prozess zurück gespult und weiter optimiert. Dies sind keine Rückschritte, sondern Entwicklungsschritte hin zur besten und breit akzeptierten Lösung.
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Mit der S-Bahn auf den Berg
öV-Direktverbindungen in Tourismusgebiete an Wochenenden
Der Freizeitverkehr wird zu einem grossen Teil mit dem Auto zurückgelegt. Im Winter entspricht dieser Anteil über 70% in Bezug auf die zurückgelegten Wege (Tischler, 2016). Der Komfort der umsteigefreien Verbindung sowie des unkomplizierten Gepäcktransports sind die entscheidenden Vorteile gegenüber dem öV. Dem ersten Punkt ist mit Direktverbindungen entgegenzuhalten. Dies kann ein Direktzug oder Direktbus ab relevanten Verkehrsknotenpunkten/Städten sein. Extrakurse – sowie im regulären Fahrplan eingebettete Kurse – haben sich als erfolgreich erwiesen. Dem zweiten Punkt kann mit einem Gepäcktransport entgegengewirkt werden. Besonders für Mehrtagesgäste ermöglicht der organisierte Transport des Gepäcks sowie der (Sport-) Ausrüstung eine komfortable Anreise mit dem öV. Die S-Bahn-Anbindung von Zürich direkt bis nach Unterterzen ins Bergsportgebiet Flumserberg hat sich als Best-Practice-Beispiel erwiesen. Immerhin tarifarisch gelöst ist die Hin- und Rückfahrt mit dem Treno Gottardo inkl. Ski-Tagespass für die Skiregion Andermatt-Sedrun-Disentis entlang der Strecke Basel/Zürich-Locarno. Da hier immer ab Göschenen auf die MGB umgestiegen werden müssen, gibt es alternativ den Schnellbus ab Altdorf und den Andermatt Ski-Express der Firma Twerenbold. Letztere fahren ab zahlreichen Städten im Mittelland direkt zur Gondelbahn. Wenn man sich im Quartier nahe eines Einstiegsorts noch zu zehnt zusammenschliesst, macht der Reisebus gar einen Extrahalt. Damit wäre die Direktanreise inkl. Ski-Tagespass Realität.
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Parkplätze für Cargobikes und Anhänger
Vermietbare Mobilitätsparkplätze in Tiefgaragen von Überbauungen erstellen
Zu optimalen Rahmenbedingungen für autoarmes Wohnen gehören neben ausreichend vielen Veloparkplätzen und einem breiten Sharing-Angebot auch genügend Flächen für E-Cargobikes, Kinderwagen, Spielgeräte, Einkaufstrolleys oder Rollstühle. Sowohl das ASTRA im Handbuch „Veloparkierung – Empfehlung zu Planung, Realisierung und Betrieb“ (ASTRA, 2008) als auch der Kanton Zürich im Merkblatt „Veloparkierung für Wohnbauten“ (Kanton Zürich, 2012) empfehlen entsprechende Flächen zu reservieren. Während heutzutage Autoparkplätze kostenpflichtig vermietet und Veloabstellplätze gratis zu Verfügung gestellt werden müssen, ist der Umgang mit den sogenannten Spezialfahrzeugen oft unklar. Die Erfahrung zeigt, dass mit sogenannten «Mobilitätsparkplätzen» eine Win-Win-Lösung geschaffen werden kann. In Neubauten können diese direkt eingeplant werden, in Bestandesliegenschaften bietet sich eine Umnutzung von Restflächen oder nicht vermieteten Autoparkplätzen oder Motorradabstellplätzen an. Ein Mobilitätsparkplatz ist ungefähr 3m x 1.2m gross und soll kostenpflichtig vermietet werden – der Preis könnte sich an einen Motorradabstellplatz anlehnen. Das schafft einen wirtschaftlichen Anreiz für die Eigentümerschaft und bietet der Mieterschaft eine flexible Nutzung. Wer in der Praxis ein umgesetztes Beispiel sucht, wird beispielsweise in der Giesserei in Winterthur fündig.
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Verkehrsspitzen brechen
Nachfrage zu Hauptverkehrszeiten glätten
Die Tagesganglinie für den Werktagsverkehr (DWV) zu typischen Spitzenstunden am Morgen (i.d.R. zwischen 7 und 9 Uhr), sowie am Abend (i.d.R. zwischen 17 und 19 Uhr) zeigen, dass die 6 Spitzenstunden zusammengenommen je nach Querschnitt bis zu einem Drittel des gesamten Tagesaufkommens zu bewältigen haben (ASTRA, Verkehrsentwicklung und Verkehrsfluss, 2019). Bei den SBB sieht es ähnlich aus: Insgesamt liegt die Sitzplatzauslastung der SBB über den ganzen Tag gesehen bei nur 32% im Fern- und bei 20% im Regionalverkehr. Bevor zu Hauptverkehrszeiten immer weiter ausgebaut wird, sollte mit Anreizen versucht werden, Nebenverkehrszeiten zu fördern: Video-Calls zu Hauptverkehrszeiten, Dosieranlagen statt weiterer Strassenausbau, preislich attraktivere Fahrten zu Nebenverkehrszeiten, abgestimmte Schul- und Schichitzeiten usw. Damit wird das Verkehrssystem ausgeglichen ausgelastet und damit insgesamt effizienter.
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Ausbau zieht wieder Verkehr an
Vorsicht vor induziertem Verkehr
Nach dem Erweiterungsprojekt 2008 mit Investitionsvolumen in Milliardenhöhe ist der Katy Freeway in den USA an seiner breitesten Stelle kurz vor einer Schlüsselkreuzung über 26 Fahrspuren stark – und es gibt wieder Stau. Strassenausbauprojekte bringen meist nicht das, was man sich erhofft. Das Problem ist die induzierte Nachfrage, welche seit den 1960er bekannt ist. Diese beschreibt eine Verkehrszunahme durch das erweiterte Angebot, weil das Verkehrssystem wieder leistungsfähiger wird. Viele Nutzende wählen im Fall des Katy Freeway wieder das Auto oder nehmen einen längeren Pendlerweg in Kauf. Das Phänomen kann aber bewusst für sinnvolle Verkehrsmittel in dichten Siedlungen genutzt werden (Ausbau Velo- oder Fussverkehrsanlagen). Beim öV ist bereits wieder Vorsicht geboten: Dieser ist über den Tag gesehen wenig ausgelastet, nur zu Hauptverkehrszeiten (HVZ) an der Kapazitätsgrenze. Der Ausbau zur HVZ ist daher umsichtig anzugehen, damit nicht wieder nächste Überlastungen produziert werden.
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Schickes Geschäfts-E-Bike statt Geschäftsauto
Mit Alternativen die Mobilität im Unternehmen steuern
Ein E-Bike eliminiert zahlreiche Nachteile von Velos. So sticht das Argument, verschwitzt beim Arbeitsort anzukommen nicht. Auch grössere Distanzen und Höhenmeter können problemlos mit einem E-Bike zurückgelegt werden. Zudem dauert die E-Bike-Fahrt in vielen Fällen unmerklich länger als die Autofahrt. Im Rahmen von Mobilitätsmanagement in Unternehmen kann mit einem Geschäfts-E-Bike ein weiteres Hindernis überwunden werden: Der hohe Anschaffungspreis. Die Mitarbeitenden verpflichten sich, auf das Auto zu verpflichten und den Arbeitsweg mit dem durch die Firma zur Verfügung gestellten E-Bike zurückzulegen. So kann die Anzahl Parkplätze am Unternehmensstandort reduziert sowie ein Beitrag zur Gesundheitsförderung geleistet werden. Denkbar ist ein Leasing-Modell oder der Kauf der E-Bikes, welcher mehrjährig abgeschrieben wird. Den Mitarbeitenden steht das E-Bike auch für private Zwecke zur Verfügung.
Der Paketversand in der Schweiz nimmt immer mehr zu. Im Jahr 2020 wurden sogar 30% mehr Pakete verschickt als im Vorjahr (Plozza, 2021). Ein wiederkehrendes Ärgernis ist dabei die Anlieferung von Paketen zu Zeiten, wenn niemand zuhause ist. Sie können damit nicht übergeben werden. Dank anbieterneutralen Paketboxen ist eine Abgabe aber jederzeit möglich. Dabei legt der Kurier das Paket in ein Fach und verschliesst es. Der Empfänger erhält via SMS oder E-Mail eine Benachrichtigung, dass er ein Paket erhalten hat. Damit kann die Übergabe stattfinden ohne dass ein direkter Kontakt besteht. Die Mobilität wird dadurch reduziert, da keine zweite Zustellung stattfinden oder die Empfängerin zu einer Poststelle gehen muss. Dieses System wird immer häufiger in Überbauungen realisiert, wie zum Beispiel beim Guggachpark in Zürich.
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Fertig Flat-Rate
Pauschalpreise als Verkehrstreiber
Serien gucken, bis man auf der Couch einschläft. Musik hören, bis die Ohren glühen. Oder einfach sorglos in der Welt umher telefonieren. Was wir bei Netflix, Spotify oder Telekom-Anbietern lieben, ist für den Verkehr Gift: Die Flat-Rate. Gemäss Duden handelt es sich dabei um einen Pauschalpreis für die Nutzung von Angeboten und Diensten. In der Mobilität hat dieses Konzept allerdings zwei Haken: Zum einem kann über solche Angebote der Verkehr nicht aktiv gesteuert werden. Zum anderen verleiten Flat-Angebote zu Mehrkonsum. Im Schweizer Mobilitätsmarkt ist dieses Prinzip allgegenwärtig: GA, Verbund-Tageskarten, Autobahnvignette, usw. Gefragt sind Pay-as-you-use-Tarife, differenziert nach Kilometer, Zeit oder Wochentag. Damit kann eine gleichmässigere Verteilung des Verkehrs erreicht und die Überlastung der Verkehrssysteme reduziert respektive vermieden werden, und zwar ohne zusätzliche Infrastruktur (ASTRA, 2021). Während der Bund dies mit Mobility Pricing umsetzen möchte, ist die Aufhebung von der Flat-Rate auch im Kleinen möglich: So könnten Unternehmen die private Nutzung des Firmenautos mit einer monatlichen Pauschale überdenken.
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Storytelling ebenso wichtig wie Engineering
Eine stringente Projektstory ist Teil der fachlichen Planung
«Anwohner reagieren mit Unverständnis», «Neue Linienführung findet keine Akzeptanz» oder «Politik ist skeptisch». Solche Schlagzeilen sind landauf, landab beinahe wöchentlich in den Medien zu finden, wenn es um Mobilitätsprojekte geht. Ursache dieses Unmuts sind oft fehlende Informationen, nicht nachvollziehbare Argumentationen oder nicht stringente Aussagen von den Projektbeteiligten. Um diesem Problem entgegenzuwirken, empfiehlt es sich zu Beginn jedes Mobilitätsprojekts eine «Projektstory» zu entwickeln. Mit Hilfe des Storytelling-Ansatzes soll eine verständliche Geschichte erzählt werden können, warum das Projekt notwendig ist, wann die Bevölkerung mitreden kann, welche Verbesserungen für die Mobilität das Projekt erlaubt oder welche Nachteile das Projekt mit sich bringt. Die Projektstory soll auf einer A4-Seite oder auf 1–2 Folien Platz haben. Ist sie erstellt, bildet sie die Grundlage bzw. der rote Faden für sämtliche Kommunikationsmassnahmen – von der Präsentation im Fachgremium bis zum Anwohner-Informationsanlass. Durch die Verwendung einer solchen «Projektstory», wird die Kommunikation stringent, was wiederum Vertrauen schafft, auch wenn man nicht hundertprozentig mit dem Projekt einverstanden ist. Argumentationen wie «wir müssen es umsetzen, weil es im Richtplan steht» oder «es wurde vom Parlament so entschieden» sollen der Vergangenheit angehören. Diese Methode funktioniert gleichermassen bei Anpassungen von Buslinien wie auch bei Einführung von Mobilitätsmanagement in einem Unternehmen.
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Way To Zero
Beim CO2-Thema neues Potenzial aufzeigen statt nur auf Verzicht setzen
Bei der CO2-Thematik muss ein Absenkpfad verfolgt werden, will man Umweltauswirkungen in den Griff bekommen. Zahlreiche Städte, Kantone und Länder wollen bis 2030 oder 2040 das Netto-Null-Emissions-Ziel erreichen. Ein Ansatz ist, beispielsweise auf Treibstoffe, Ölheizungen und das Fliegen ganz zu verzichten. Die Schadstoffe gehen dabei zurück, jedoch muss auch auf Aktivitäten verzichtet werden. Ein weiterer Ansatz ist, gewünschte Techniken wie E-Autos, Wärmepumpen, usw. zu verbilligen. Sie sind dann nicht ein minderwertiges Ersatzprodukt, sondern bilden schleichend den neuen Standard. Das neue Potenzial sollte also verstärkt gefördert und kommuniziert werden, dass eine Mehrheit mitmacht. Beispiele gefällig? Coca-Cola hat mit Cola Zero ein ähnlich schmeckendes Getränk wie das Original – jedoch ohne Zucker lanciert. Dies kam besser an als Cola light. Zero greift aber auch in der Autoindustrie: An der Euro 2020 nutzte VW Bandenwerbespruch «Way to zero».
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Aufgepasst vor Wachstum trotz nachhaltigem Verhalten
Rebound-Effekte aufgrund von Effizienzsteigerungen vermeiden
Unsere Gesellschaft ist auf Wachstum ausgelegt. Da wir Vieles bereits besitzen, wird aktuell oftmals der Ansatz verfolgt, mittels erhöhter Effizienz die Kapazitätsgrenzen zu erweitern. Die Digitalisierung sorgt für einen solchen Effizienzschub (laut einem Bericht der Global e-Sustainability Initiative bieten digitale Lösungen das Potenzial, die weltweiten Treibhausgasemissionen bis 2020 um 16,5% zu senken). Doch etwas könnte schieflaufen, denn die Digitalisierung generiert auch Konsum. Die Effizienzgewinne würden durch den gestiegenen Konsum mehr als wettgemacht, den die digitalen Services und die damit gesunkenen Preise anregen. Dies nennt man Rebound und ist kontraproduktiv, um Ressourcen zu schonen. Beispiel für einen solchen Effekt: Mit dem alten Auto fährt man gelegentlich kurze Strecken. Nach dem Kauf eines energieeffizienten E-Autos mit weniger Kraftstoffverbrauch wird das Auto viel mehr und für längere Strecken genutzt.
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Parkplätze poolen und sharen
Mit Mehrfachnutzung Flächenverbrauch reduzieren und Wirtschaftlichkeit erhöhen
Private Parkplätze werden oftmals nicht zu 24 Stunden pro Tag belegt. Parkplätze von Bewohnenden stehen mehrheitlich tagsüber leer, Parkplätze für das Gewerbe sind hingegen ausserhalb der Büro- und Ladenöffnungszeiten frei. Diese leerstehenden Flächen stellen ein Potenzial dar, gerade in Bezug auf verdichtete Raumentwicklung. Mithilfe von einer Mehrfachnutzung eines Parkraumes kann die entsprechende Fläche effizienter genutzt werden. Eine Untersuchung zeigt, dass die Zufriedenheit mit multifunktionalen Parkierungslösungen generell hoch ist (Metron, 2019). Konkret können Wohn-Parkplätze zu Bürozeiten an das Gewerbe vermietet werden und umgekehrt. Dies ist insbesondere in urbanen Regionen mit mehreren Nutzungsformen in kleinem Umkreis denkbar. Verschiedene App-Lösungen kann die Mehrfachnutzung technisch unterstützen. Für überschneidende Zeiten könnten zudem Überlaufparkplätze definiert werden.
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Kampf zwischen Verkehrsmitteln überwinden
In kollektiver und individueller Fahrt denken und nicht in Verkehrsmitteln
Die Kundschaft wird flexibel und verlangt zu jeder Zeit das passende Verkehrsmittel mittels einfachen Zugangs. Die Raumplanung und Agglomerationen wollen die richtigen Verkehrsmittel am richtigen Ort. Die Marktteilnehmenden werden beweglich und nutzen die Digitalisierung für neue Geschäftsmodelle, welche wieder besser zu den Kunden passen. Hinzu kommt, dass die Automatisierung neue Möglichkeiten eröffnet. Bisherige Konzepte der Verkehrsmittel-Lenkung (beispielsweise Stärkung einzelner Verkehrsmittel) funktioniert nicht mehr, wenn die Kundschaft mulitmodal immer das beste Verkehrsmittel wählt, Verkehrsmarkt-Unternehmen plötzlich alle Dienstleistungen unter einem Dach anbieten, unflexible Förderkonzepte den Mehrverkehr an falschen Orten forcieren oder Digitalisierungslösungen weltweit skalierbar werden. Daher sollten wir künftig nicht mehr Verkehrsmittel unterscheiden, sondern den Unterschied bezüglich kollektiver und individueller Fahrt definieren. Kollektiv reisen kann man beispielsweise im Fernverkehr, aber auch im Fernbus. Beides ist grundsätzlich regelmässiger Linienbusverkehr und sinnvoll. Lokal ist das Velo ein gutes individuelles Verkehrsmittel. Wird das Velo als Bikesharing angeboten, können gar mehrere Personen auf die Ressourcen zugreifen. Spannend wird die Weiterentwicklung des Autos: Das gleiche Fahrzeug kann sowohl kollektiv (Ridesharing) als auch individuell sein. Ps: Auch wir müssen uns noch an die schrittweise Auflösung von Verkehrsmittel-Kategorien gewöhnen. Noch kann man auf dieser Website danach filtern.
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Nicht leer fahren
Auslastung insgesamt im Verkehr erhöhen
Die Verkehrsanlagen in der Schweiz sind in den Spitzenzeiten regelmässig am Anschlag. Gleichzeitig gibt es eine Unterbesetzung im Auto, im Güterverkehr oder im öV. Mit einer höheren Auslastung aller Verkehrsmittel würde sich die Anzahl Fahrzeuge auf den Strassen deutlich reduzieren. Dies hat auch einen positiven Einfluss auf die Verkehrsqualität. Inzwischen gibt es viele Software-Dienstleistungen, die dafür da sind, die Auslastung zu erhöhen. Güterplattformen listen Leerfahrten, für das Auto gibt es Ridesharing-Plattformen und im öV erhöhen Spartickets die Auslastung zu gewünschten Zeiten. In vielen Fällen sind die Lösungen bereits entwickelt und müssen lediglich genutzt werden.
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öV-Monitore neu mit Sharing-Anschlüssen
Bildschirme im öV mit weiteren Angeboten anreichern
Um die Reiseketten zu vernetzen, braucht es vertiefte Informationen für die Fahrgäste. Derzeit werden im öV vor allem die Anschlüsse der nächsten Bussse und Züge angezeigt. Damit die Fahrgäste aber auch auf andere Verkehrsmittel umsteigen, sollten diese ebenfalls auf den Screens erscheinen. So kann im Bus auch die Anzahl verfügbarer Sharingbikes an der nächsten Haltestelle angezeigt werden, damit die Passagiere ihre Reisekette einfacher planen können. Dadruch erhöht sich nicht nur die Attraktivität des Bikesharings, sondern auch des öV, da insgesamt das Reiseerlebnis für die Kundschaft einfacher wird. Als Beispiel gilt Wien, wo im öV die Anzahl der Sharingbikes von Citybike an der nächsten Haltestelle angezeigt werden.
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Investiere in Mobilität, nicht ins Auto
Mobilitätsbudgets für Mitarbeitende diversifizieren und minimalisieren Mobilität
In Unternehmen kann es eine gängige Praxis sein, dass Mitarbeitende einen Dienstwagen erhalten und einen Parkplatz zur Verfügung gestellt bekommen. Damit werden Anreize gesetzt, um mit dem Auto zur Arbeit zu kommen. Das Unternehmen muss dadurch Flächen für die Parkierung bereithalten, was zu hohen Kosten führt oder den Ausbau des Betriebs hindern kann. Anstelle von einem Auto und einem Parkplatz könnte das Unternehmen den Mitarbeitenden ein Mobilitätsbudget für definierte Verkehrsmittel auszahlen. Dieses Budget können sie selbst verwalten und zum Beispiel für ein Bikesharing, ein öV-Abo oder ein Carsharing ausgeben. Der nicht genutzt Betrag kann Ende Jahr den Mitarbeitenden ausbezahlt werden. So fördert das Unternehmen eine diversifizierte und minimalisierte Mobilität. In Belgien ist ein Gesetz in Kraft getreten, welches Mitarbeitenden statt dem Dienstwagen neu ein Mobilitätsbudget zuschreibt.
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Mikromobilität als Chance packen
Optimal integriert überbrücken elektrische Scooter die erste/letzte Meile
Viele Mobilitätsdienstleistungen enden nicht vor der Haustüre, sondern an Stationen und Haltestellen. Von da aus muss der Kunde noch die letzte Distanz selbständig bewältigen. Für diese erste und letzte Meile ermöglicht die Digitalisierung neue Angebote. Mit kleinen Elektrofahrzeugen wie zum Beispiel E-Scootern können die Fahrgäste von der Haltestelle bequem bis zur Haustüre fahren. Diese Fahrzeuge haben den Vorteil, dass sie ohne Personal funktionieren und im Betriebsgebiet frei abgestellt werden können (free floating). Die Nutzung erfolgt einfach per App, welche dank GPS die Fahrzeuge anzeigt. Dies führt dazu, dass Angebote wie der öV oder andere Mobilitätsdienstleistungen attraktiver werden. Vor allem, wenn die E-Scooter beispielsweise über Regulation oder ticketintegriert im öV optimal ins Verkehrssystem eingepasst sind. Die Mikromobilität fördert auch die multimodale Reisekette und bietet eine Ergänzung zum Fussverkehr, welcher nur auf kurze Distanzen optimal ist, sonst die Reisezeit rasch stark verlängern kann. Als Beispiel gibt es E-Scooter von TIER, Voi, Bird oder Lime.
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Lebensmittel zuhause einkaufen
Mit Online-Shopping Grosseinkäufe gebündelt liefern lassen
Während Pendeln zwei Fahrten auslöst, kommt meist nochmals fürs Einkaufen eine separate Hin- und Rückfahrt dazu. Gerade in Agglomerationen oder in ländlichen Gebieten nutzt man aufgrund der Distanzen und des Laderaums ein Auto. Die Infrastruktur beim Supermarkt muss darauf ausgelegt werden, dass viele Kundinnen und Kunden mit dem Auto kommen. Doch für die Kundschaft kann es deutlich bequemer sein, wenn sie ihre Einkäufe einfach über das Internet bestellen. Der Supermarkt kann jetzt mit elektrischen Fahrzeugen die Einkäufe gebündelt nach Hause zustellen. Damit werden die Anzahl Fahrten und die insgesamt gefahrene Distanz verringert. Der Parkplatzdruck beim Supermarkt sinkt dadurch. Grosse Anbieterinnen wie Migros Online oder coop.ch haben sich inzwischen etabliert. Zudem gibt es auch die Möglichkeit, im Laden – nach einer öV-Anreise – einzukaufen und die Einkäufe mit einem Shopping-Taxi per Velo und Anhänger nach Hause liefern zu lassen, wie etwa in Luzern im Rahmen eines Arbeitsintegrationsprojekts. Bequem kann man dann seine eigene Reise fortsetzen oder mit dem öV/Velo umweltfreundlich heimfahren. Noch sinnvoller ist natürlich, auf der täglichen öV-Heimreise beim Umsteigen das nötigste direkt am Mobilitätshub zu kaufen. So ist Umsteigen keine Komforteinbusse, sondern kann für den täglichen Einkauf genutzt werden.
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Zusammen die Verkehrswende stemmen
Rückhalt in der Planung durch Partizipation
Planungen in der Schweiz tangieren immer mehrere Interessen und sind daher auch oft umstritten. Gerade Verkehrsprojekte bedeuten einen Eingriff in das Leben von Vielen und können diese im Bereich Lärm-, Licht-, Luftverschmutzung, dem Mobilitätsangebot oder dem Eigentum betreffen. In der Planungswelt erhält die Stimme der Bevölkerung berechtigterweise immer mehr Gewicht. Man muss die Bevölkerung mit Mitwirkungsverfahren eng in die Planung einbeziehen. Mit Ideen-Wettbewerben soll die Kreativität aller genutzt werden, um Probleme zu lösen. Diese enge Einbindung der Bevölkerung führt dazu, das Projekt deutlich mehr Rückhalt finden und auch im politischen Prozess mehr Zustimmung erfahren.
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Super wohnen am Superblock
Siedlungsorientierte Strassen verbessern die Lebensqualität in Städten
Der motorisierte Verkehr dominiert in Innenstädten auf den Strassen, obwohl dies gleichzeitig auch der Lebensraum von vielen Menschen ist. Die Strassen sind stark befahren und meist noch gesäumt von Parkplätzen an den Strassenrändern. Mit einem einfachen städtebaulichen Eingriff an ausgesuchten Kreuzungen können Blocks definiert werden, die im inneren stark verkehrsberuhigt sind. Der Verkehr wird deutlich entschleunigt und gewonnene Flächen werden als Flanier-, Park und Spielflächen umgenutzt. Stattdessen wird der Verkehr auf übergeordneten Strassen um die Superblocks gebündelt geführt. Damit kann die Lebensqualität für die Anwohnenden gesteigert werden. Die angrenzenden Unternehmen und Läden haben durch die Massnahme zudem deutlich erhöhte Fussgängerfrequenzen. Ein gutes Beispiel sind die Superblocks in Barcelona, die inzwischen als beliebte Wohngebiete der Stadt gelten.
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Stau physikalisch betrachten
Verkehr mit weniger Autos oder mittels Dosierung verflüssigen
In den 1950er Jahren wurde der Verkehr mit Mitteln der Naturwissenschaften untersucht. Fahrzeuge wurden als Teilchen betrachtet, die einem dünnen Kanal entlangwandern. Mit praktischen Experimenten konnte dann aufgezeigt werden, dass auch ohne Engpass Staus entstehen. Soll der Verkehr wieder verflüssigt werden, braucht es mehr Spuren oder weniger Verkehrsmenge. An vielen Orten ist aber der Verkehrsraum bereits begrenzt und ein Ausbau hätte grosse Auswirkungen auf Lebensräume und Gebäude. An diesen Orten kann man den Verkehr nur mit der Reduktion der Menge verflüssigen. Als Beispiel halten zahlreiche Städte mit einer Dosierungsanlage den Verkehr vor Engpässen zurück. Damit kann in der Innenstadt der restliche Verkehr flüssig abgewickelt werden.
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Logistik im Parkhaus abwickeln
Das Potential von zeitweise leeren Parkplätzen für die City-Logistik nutzen
Die Auslieferung von Paketen in urbanen Gegenden belastet die Quartiere, weil der Platz begrenzt und die Strassen von viel Verkehr geprägt sind. Gerade kleine Lastwagen und Lieferwagen sind bei Anlieferungen oft falsch geparkt an Strassenrändern zu entdecken. Geeignetere Fahrzeuge wären E-Cargobikes, die aber nur eine geringe Reichweite und beschränkten Platz pro Zustellfahrt haben. Überdies fehlen geeignete Flächen, wo die Güter von Lieferwagen oder Containern auf Cargobikes umgeladen werden können. Als Lösung bieten sich innerstädtische Parkhäuser an, die in Randzeiten meist viele leere Parkplätze haben. Einige dieser Parkplätzte könnten in dieser Zeit gesperrt werden und temporär als zentral gelegene Logistikhubs gute Dienste leisten. Die Speditions- und Kurierdienste können dort Waren von Lastwagen und Lieferwagen auf E-Cargobikes umladen und damit für einen effizienten, platzsparenden und ökologisch nachhaltigen Lieferverkehr in den Städten sorgen. Als Beispiel gilt der Parkhausbetreiberkonzern Apcoa, der dieses Projekt bereits in Angriff genommen hat.
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Verkehrsmittel übergreifend vermarkten
Mit aktiven Kampagnen die multimodale Mobilität fördern
Zurzeit werden Verkehrsmittel mehrheitlich einzeln beworben, obwohl die Fachwelt von einer multimodalen Welt spricht. Beim öV kommuniziert sogar Bus und Bahn noch separat. Dadurch gehen viele Synergien verloren. Mit koordinierten Werbekampagnen könnten Mobilitätsangebote gemeinsam im Sinne einer Reisekette beworben werden. Zum Beispiel öV-Branche mit Sharing-Anbieter oder Auto-Hersteller mit Velo-Verkäufer. Dabei würden die Benefits der einzelnen Mobilitätsdienstleister und die Funktionsweise der Mobilitätskette aufgezeigt. Mit einer gezielten Incentivierung könnten die verschiedenen Mobilitätsangebote auch getestet werden. So kann man den Verkehr diversifizieren und einen Schritt in Richtung Verkehrswende machen. Ein Beispiel ist die Berliner Kampagne «Deine Flotte 2020», in der Nutzende einen Monat auf ihr Privatauto verzichteten und dafür einen Mobilitätsgutschein über 500 Euro für verschiedene Mobilitätsangebote erhielten. Auch bei der SBB oder beim ZVV gibt es erste Ansätze von verkehrsmittelübergreifenden Angeboten – beispielsweise Cross-Selling mit Mobility Carsharing für Abokunden. Diese Ansätze sollten nicht stehen bleiben, sondern ähnlich dem sonstigen Ticketprodukt weiterentwickelt werden.
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Veloproblem durch Stapeln lösen
Veloabstellplätze bei fehlendem Platz in die Höhe bauen
Veloabstellplätze sind an Hotspots sehr gefragt und auch häufig überfüllt. Als Problemzonen gelten hier besonders Bahnhöfe, die oft bereits viele Veloabstellplätze bereitstellen und dennoch zu wenig Platz haben. Mit sogenannten Biketowers können die Veloabstellanalgen entweder in die Höhe oder in die Tiefe gebaut werden. Dort mietet man sich mit einer App oder am Bildschirm einen Platz und schiebt das Velo in einen Lift. Die Velos werden dann übereinander gelagert, bis der Nutzende das Velo wieder braucht. Mit diesem Prinzip gelingt es, mehr gedeckte und sichere Veloabstellplätze auf engstem Raum zu realisieren. Als Beispiel gibt es den Bike-Safe-Tower in Fellbach.
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Eventticket ist öV-Ticket
Die Anreise in das Eintrittsbillett inkludieren
Freizeitanlagen, Einkaufszentren und Events verursachen viel Verkehr. Oft wird das flexible Auto zur An- und Rückreise bevorzugt. Gleichzeitig wird das öV-Angebot auch im Freizeitverkehr stark ausgebaut. Mit dem Inkludieren der Mobilität ins Ticket können die Teilnehmenden leicht auf gewünschte Verkehrsmittel gelenkt werden. Das Angebot wird bereits oft bei Fussballevents genutzt, an denen oftmals der öV vor und nach dem Spiel inklusive ist (gepaart mit hohen Parkgebühren). Diese Anreize lenken Kunden auf sinnvolle Massentransportmittel. Solche Konzepte sind auch schon in Einkaufszentren angewandt worden, wo es keine Eintrittsbillette gibt. Beim Emmen Center beispielsweise erhielt die Kundschaft bei einer Aktion ein Rückreiseticket, wenn sie ein öV-Anreiseticket vorweisen konnten.
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Taxi dringend digitalisieren
Fahrdienste digital abwickeln und optimal über die Fahrt informieren
Viele Fahrdienste werden derzeit noch analog betrieben, indem Magnetboards, Papier und Telefon genutzt werden. Oft ist dies aber sehr ineffizient. Zusätzlich steigt der Druck der Kundschaft, den Service auch online zu buchen. Die Konkurrenz mit Uber und Co. zeigt dabei auf, in welche Richtung es geht: Einfach Start/Ziel eingeben und schon wird man bis zum Ende der Fahrt laufend auf dem Handy informiert. Es gibt ein wachsendes Angebot an Software für Fahrdienstunternehmen. Dabei werden die Fahrzeuge und das Fahrpersonal mit der nötigen Software oder Hardware ausgestattet und die Zentrale betreut das System mit dem Computer. So können Fahrtenaufträge dem Fahrpersonal ohne Telefon oder Funk zugewiesen werden, oder das Fahrpersonal holt sich die nächste Fahrt direkt aus einem Pool an Aufträgen ab. Die Fahrdienste werden durch die Digitalisierung schneller und effizienter. Zusätzlich helfen Analysetools, den Betrieb zu optimieren. Davon profitiert auch die Kundschaft. Ein Beispiel ist der Gesundheitsfahrdienst FahrFlex: Hier können Fahrten für mobilitätseingeschränkte Personen über das Internet gebucht werden. Die Fahrerinnen und Fahrer erhalten alle nötigen Informationen direkt auf das Smartphone, die Administration läuft digital über die Software.
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Trafikguide führt durch Mobilitätsdschungel
Den Mobilitätsüberblick als Datenbank für Wissen und Inspirationnutzen
Es gibt täglich neue Mobilitätsangebote und Dienstleistungen, andere verschwinden wieder. Gerade als Fachplaner, Unternehmen oder Privatperson kennt man gar nicht mehr alle Optionen, welche die Mobilität verbessern. Mit dem Trafikguide können Mobilitätsangebote nach den eigenen Ansprüchen gefiltert werden: Welche Produkte und Dienstleistungen gibt es in meiner Region? Welche Software nutzt die Dienstleistung? Wem gehört der Dienst? Die Innovationskraft auf dem Mobilitätsmarkt ist derzeit sehr gross, so dass ein Überblick wichtig ist. Gerade im Bereich nachhaltiger oder kombinierter Mobilität gibt es viele spannende Lösungen, die von zahlreichen Unternehmen oder Haushalten genutzt werden können. Der Trafikguide ist unter www.trafik.guide kostenlos abrufbar.
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Spielend einfach zur Fahrgemeinschaft
Fahrgemeinschaften mit Gamification und realen Benefits stärken
Es gibt viele Hilfsmittel für Fahrgemeinschaften, aber dennoch bilden sich sehr wenige. Die Vorteile sind für die Fahrerinnen und Fahrer sehr klein. Das Auto büsst an Flexibilität ein und es braucht mehr Zeit sowie Treibstoff. Damit Fahrgemeinschaften gebildet werden, braucht es also mehr als eine Vermittler-Plattform. Dies haben nun verschiedene Anbieterinnen erkannt und spezielle Apps entwickelt, mit denen man gezielt Anreize setzen, sodass sich Fahrgemeinschaften bilden. Diese Apps nutzen Gamification oder finanzielle Anreize, um Fahrerinnen und Mitfahrer zu motivieren. Dank den Fahrgemeinschaften kann der Auslastungsgrad von Autos gesteigert und die ökologische Bilanz verbessert werden. Zudem werden Personen, die nicht Autofahren können, mobiler. Ein Beispiel ist die App Ummadum. Bei dieser Lösung kauft eine Gemeinde oder ein Unternehmen Punkte ein und belohnt Fahrerinnen oder Mitfahrer einer Fahrgemeinschaft. Die gesammelten Punkte können in lokalen Geschäften zum Einkauf genutzt werden.
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Mit Transparenz Vertrauen schaffen
Daten zur Verfügung stellen, Einblick geben und Doppelspurigkeiten verhindern
Zum einen haben die meisten Menschen zum Verkehr eine Meinung, zum anderen ist seriöse Verkehrsplanung komplex. Diese Ausgangslage hat dazu geführt, dass Studien, Planungen oder Konzepte vielfach unter dem Ausschluss der Bevölkerung erstellt und nie veröffentlicht werden. Zu gross ist die Angst vor unangenehmen Fragen, politischen Vorstössen oder Medienanfragen. Drei Sachen gehen bei dieser Haltung jedoch vergessen: Erstens, dass Transparenz Vertrauen schafft. Dies gilt speziell für den Verkehr, da alle Menschen in irgendeiner Form direkt davon betroffen sind. Zweitens zeigt es die Aktivitäten der Behörden oder des Unternehmens. Denn oft entsteht im Volksmund die Meinung, es wird nichts unternommen, um das Verkehrsproblem in den Griff zu bekommen. Und Drittens ermöglicht es Planerinnen und Planern, auf bereits bestehenden Grundlagen aufzubauen. Es empfiehlt sich also, sämtliche Studien, Planungen oder Konzepte proaktiv zu veröffentlichen, zum Beispiel auf der Website. Mit Inkrafttreten des Öffentlichkeitsprinzips besteht für Verwaltungen seit 2006 auch eine gesetzliche Grundlage dafür. Als gute Beispiele können der Bund oder der Verkehrsverbund Luzern genannt werden. Neuerdings kommen auch Verkehrsdaten hinzu, die im Sinne von «Open Data» veröffentlicht werden sollen. Mit gutem Beispiel voran gehen 90 Organisationen, die zahlreiche Daten auf https://opendata.swiss veröffentlichen. Noch sind aber nicht alle Kantone, Gemeinden oder öV-Transportunternehmen auf diesem Stand.
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Bei Reisezeit nicht auf Bauchgefühl vertrauen
Mit Fakten Verkehrsmittel vergleichen
Angenommen, man braucht für das Zurücklegen einer Strecke exakt 1h 15‘, so wäre im Volksmund wohl folgendes pro Verkehrsmittel zu hören: Die Fahrt mit dem öV dauert mehr als anderthalb Stunden (natürlich aufgerundet) und man muss erst noch umsteigen (was jedoch in der Reisezeit bereits berücksichtigt ist, aber immer explizit noch erwähnt wird). Mit dem Auto schafft man eine solche Reise in einer Stunde, wenn man etwas Gas gibt (natürlich abgerundet und zu Hauptverkehrszeiten am Morgen und Abend utopisch). Mit dem Velo ist alles über eine Stunde kaum zu machen (obwohl viele Personen am Zielort oder abends noch eine Stunde Sport machen, was mit der Veloanreise bereits erledigt wäre). Tja, Fakten statt Bauchgefühl wären hilfreich. Hierzu kann beispielsweise für Unternehmen die Pendlerweganalyse mit dem Tool commuteRANK empfohlen werden.
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Verkehrstreiber Parkplatzreglement
Veraltete Parkplatzreglemente sorgen unbewusst für Mehrverkehr
Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur löst meist nicht das Verkehrsproblem, sondern treibt die Verkehrsnachfrage nach oben (Bund, 2021). In vielen kommunalen Parkplatzreglementen ist eine minimale Anzahl der Parkplätze festgelegt. Wird diese unterschritten, müssen meist Ersatzabgaben an die Gemeinde oder die Stadt geleistet werden. Dadurch wird in Bauprojekten teils mehr Parkraum realisiert, als effektiv benötigt wird und somit das Auto gefördert. Gemeinden und Städte haben mit dem Parkplatzreglement ein effizientes Instrument zur Regulierung des Parkplatzangebotes und einhergehend des MIV-Verkehrs. Sie können die Anzahl der zu erstellenden Parkplätze bewusst steuern und diese sogar in geografischen Zonen unterschiedlich definieren. Mit der Abschaffung von Ersatzabgaben werden autoreduzierte Bauten nicht mehr bestraft. Mit dem reduzierten Angebot an Parkplätzen wird langfristig das Parkplatzangebot und dementsprechend auch die Verkehrsmenge reduziert. Basel Stadt hat beispielsweise die Erstellpflicht von Parkplätzen und die Ersatzabgaben aus ihrem Reglement gestrichen.
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Mobilität als einfach nutzbarer Service
Mobility as a Service (MaaS) hilft Nutzung über Verkehrsmittel hinweg
Vom Miet-Scooter in den Bus und von dort ins Sharing-Auto. Das ist längst möglich, erfordert jedoch oft mehrere Apps und Benutzerkonten. Die Nutzerinnen und Nutzer wünschen sich aber nur eine einzige App für die Fahrt von A nach B: Mit dieser wollen sie die Fahrt planen, reservieren, buchen und nutzen, und zwar über verschiedene Verkehrsmittel und Anbieter hinweg. Dieser Ansatz ist auch bekannt unter dem Stichwort Mobility as a Service (MaaS). Dazu müssen Mobilitätsanbieter ihre Daten und Buchungssysteme freigeben und gemeinsame Datenformate verwenden. Die öffentliche Hand soll besorgt sein, dass eine digitale Dateninfrastruktur diskriminierungsfrei und offen genutzt werden kann. Möglicher Deal: Wer Zugriff auf Drittdaten anderer Mobilitätsdienstleistungen will, muss seine eigenen Daten zur Verfügung stellen. Mit MaaS wäre es bequem möglich, immer das passende Verkehrsmittel zu wählen, ohne selbst alles zu besitzen. Zudem erhalten die Nutzerinnen und Nutzer die Mobilitätskosten transparent aufgeschlüsselt, was die Verhaltensänderung beeinflussen könnte. Beispiele für MaaS-Plattformen sind Whim, Jelbi oder Trafikpoint.
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Neue Mobilität live erleben
Neue Angebote konkret anbieten, statt nur theoretisch auf Fachebene abhandeln
Die Gewohnheit hält Menschen davon ab, ihr Verhalten zu hinterfragen und zu ändern (Ohnmacht, Schaffner, Weibel, & Schad, 2017). Ein Erlebnis hilft als Anstoss, diesen Prozess in Gang zu bringen. Aus Gründen der ökologischen Nachhaltigkeit und des Flächenverbrauchs sind öffentliche Verkehrsmittel, Velo- und Fussverkehr zu fördern. Der Autoverkehr ist aufgrund seiner negativen externen Effekten zu reduzieren sowie im Rahmen von Elektromobilität verträglich zu gestalten. Zur Förderung der genannten Verkehrsmittel kann ein Event dienen. Dieser ermöglicht ein niederschwelliges Ausprobieren neuer Velos, Elektroscooters, Elektroautos und anderen neuartigen Verkehrsmitteln. Der öV wird in die Anreise einbezogen. Der Event wird von einem Rahmenprogramm begleitet, welches zugleich eine Plattform für Partner und Sponsoren bietet. Dafür kommen insbesondere Anbieter von (Car-)Sharing sowie Carpooling infrage. Für den Autoverkehr gesperrte Strassen ermöglichen eine sichere Fortbewegung für die nicht/schwach motorisierten Verkehrsmittel. Medienwirksam war die Aktion „Steig um!“ in Hamburg: Fünf Personen verzichteten drei Monate lang auf ihr Auto. Sie erhielten jeden Monat jeweils 400 Euro, also insgesamt 1200 Euro, um andere Verkehrsmittel zu nutzen. Die 5 Teilnehmenden wurden vor und während der Aktion detailliert über Preise, Zugänge, Buchungsmöglichkeiten, Reichweiten, Vor- und Nachteile sowie Kniffe informiert, um sich im großen Angebot zurechtzufinden. Zeitungs-Reporter begleiteten die Teilnehmenden und berichteten über deren Erlebnisse.
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Mit Gebühren gezielt lenken
Benzinsteuer und kilometerabhängiges öV-Ticket zu Mobility Pricing weiterentwickeln
Weltweit ist eine Zunahme des Verkehrs auszumachen, Verkehrsüberlastungen steigen deswegen jährlich an. Im internationalen Vergleich von 416 Städten liegen die Schweizer Städte Genf (Rang 77), Zürich (Rang 103) und Lugano (Rang 117) im vorderen Mittelfeld des Stauindexes (Zahlen von 2019, TomTom International BV, 2021). Eine innenstädtische Verkehrsreduktion kann über die Bepreisung von Fahrten erzielt werden. Dabei kann der Ansatz des Area Pricing verfolgt werden, welcher das Fahren innerhalb eines bestimmten Stadtgebiets mit Gebühren belegt, oder der Ansatz des Cordon Pricing, welcher die Durchfahrt an einer definierten (Stadt-) Grenze als Auslöser nimmt. Eine zeitlich begrenzte Maut führt zu einer zeitlichen Verkehrsverlagerung und verteilt die Verkehrsströme gleichmässiger über den Tagesverlauf. Die Einnahmen aus der Maut können für Verkehrsprojekte, insbesondere im öV, eingesetzt werden. Eine Verkehrsverlagerung vom MIV auf den öV, Velo- und Fussverkehr ist dabei ein mögliches Ziel. In Norwegen verfügen die grösseren Städte bereits über ein Road Pricing, welches dem Modell des Cordon Pricing folgt und mithilfe von automatischer Nummernschilderkennung abgewickelt wird. Gehen solche lenkenden Massnahmen zu weit, können zumindest heute versteckte distanzabhängige Steuern – beispielsweise auf Benzin oder gefahrene Zugskilometer – in ein transparenteres Mobility Pricing überführt werden. Mit der LSVA gibt es diesbezüglich gute Erfahrungen im LKW-Verkehr.
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Walk The City
Städte fussgängerfreundlich gestalten
Eine Verkehrszunahme ist in vielen Städten Tatsache. Sie bringt mehr Emissionen sowie mehr Stau mit sich und verschlechtert zugleich die Aufenthaltsqualität (Brechbühl, Müller, & Tschirren, 2017). Mit der Einrichtung von ausgedehnten Fussgängerzonen kann dieser Entwicklung Einhalt geboten werden. Dabei sind bestimmte Bedingungen für die Zulieferung festzulegen, sowie Alternativen für den Durchgangsverkehr sicherzustellen. Der Fuss- und Veloverkehr erhält mehr Raum und die Stadt lädt zum Verweilen ein. Davon profitiert das lokale Gewerbe, die Anwohnerinnen und Anwohner sowie Besucherinnen und Besucher. Das Beispiel der Einrichtung einer Fussgängerzone in der Stadt Chur zeigt eine deutliche Aufwertung des Stadtbildes sowie eine deutliche Verbesserung der Aufenthaltsqualität.
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Am Trafikpoint das passende Fahrzeug leihen
Über eine App vernetzte E-Fahrzeuge an Mobilitätsstation bereitstellen
Seit jeher gibt es Mobilitätshubs, so zum Beispiel im öV bei Umsteigepunkten, wo zwischen Linien gewechselt wird. Doch wäre es nicht schön, wenn es Hubs gäbe, wo alle Verkehrsmittel zum Sharing bereitstehen und über eine App verknüpft sind? Solche Mobilitätsstationen sind bisher wenig verbreitet, aber Teil der Lösung von Herausforderungen in der Mobilität. Die Gründe für Mobilitätsstationen sind vielfältig: 1. Sie stärken den Umweltverbund: Zum einen wird ein starker Fokus auf Zweiräder gesetzt, zum anderen wird das Angebot ergänzend zum öV gesehen. 2. Mobilitätsstationen fördern die Multimodalität (Nutzung mehrerer Verkehrsmittel): Mehr Optionen lässt die Verkehrsmittelwahl überdenken. Es resultieren mehr Wege ohne Auto. 3. Mobilitätsstationen schaffen eine Mobilitätsgarantie: Nutzende können auch ohne Auto auf einfache Art mobil sein. Auf ein eigenes Auto kann verzichtet werden. 4. Mobilitätsstationen tragen zum Ausbau der E-Ladeinfrastruktur und den E-Angeboten bei: Mobilitätsstationen setzen mehrheitlich auf alternative Antriebe, was dieser Technik Vorschub leistet und das Ladestellennetz verdichtet. Ein Beispiel einer Mobilitätsstation ist der www.trafikpoint.ch, an dem E-Scooter, E-Bike, E-Cargobike, E-Roller und E-Auto über eine digitale App geortet, gebucht, bezahlt und geöffnet/geschlossen werden können. Bauherren können zudem Verkehrsmittel mit Gutscheinen fördern und so die Mobilität auf ihrem Areal lenken.
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Mobilität in Mietzins inkludieren
Mit passend designten Mobilitätsbundles autoarme Haushalte fördern
2020 gab es in der Schweiz durchschnittlich 541 Personenwagen auf 1000 Einwohnende. In urbanen Ballungsräumen sinkt der Motorisierungsgrad wesentlich gegenüber dem schweizerischen Durchschnitt (Bundesamt für Statistik, 2021). Dennoch werden in vielen Gemeinden und Städten grosse Parkplatzangebote bei Neubauten von Siedlungen gefordert. Diese können nur unterschritten werden, indem Mobilitätsalternativen bereitgestellt werden. Die Mobilitätsabos für Mietende oder Arbeitnehmende sind ein Instrument, welches hauptsächlich mit Anreizen arbeitet. Sie erhalten Mobilitätsgutschriften, mit denen verschiedene nachhaltige Verkehrsmittel gefördert werden. Die Gutschriften sind besonders effektiv, wenn Sharingangebote auf dem Areal angeboten werden. Die Mobilitätsabos eignen sich auch für eine Fortführung in den Folgejahren, da sie sehr dynamisch einsetzbar sind. Gerade in Siedlungen im urbanen Raum kann mit den Mobilitätsabos eine Umverteilung auf andere Verkehrsmittel stattfinden. Diese Massnahme funktioniert sehr gut in Kombination mit einer restriktiven MIV-Planung. Dadurch sinkt der Motorisierungsgrad der Haushalte weiter. Ein Beispiel hierzu ist das Projekt Matteo im Mattenhof in Kriens, das seit 2019 erfolgreich umgesetzt wird.
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Gemeinsam statt einsam
Wagenbesetzungsgrad der Autos erhöhen
Heute sind in der Schweiz die Autos im Durschnitt mit 1.56 Personen besetzt (BFS/ARE, Verkehrsverhalten der Bevölkerung, 2015). Gleichzeitig ist die Strassenkapazität erschöpft. Mehr Personen pro Fahrzeug erhöht die Kapazität der Strasse ohne weiteren Infrastruktur-Ausbau. Der öV ist ein optimales Beispiel im Sinn der Wagenbesetzungsgrad-Maximierung. Auch bei Privatwagen können mit Gebühren (Parkgebühren, Roadpricing usw.) oder Privilegien (beispielsweise Gratisparkplatz für gepoolte Pendlerfahrten) der Wagenbesetzungsgrad erhöht werden. Mit diesem Effizienzgewinn kann mit der bestehenden Infrastruktur wieder mehr Personenverkehr bewältigt werden.